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Kenneth Branagh: Der große britische Schauspieler wird 60

Von Henry V. bis Wallander

Kenneth Branagh gelang als "Henry V." der Durchbruch. Ein junger englischer König, der im Jahr 1415 bei der Schlacht von Azincourt durch Ströme von Schlamm und Blut stapft. "Branaghs Heldenstück, düster, stürmisch und todesbitter, hat einen Höhepunkt von schrecklicher Pracht", wie der "Wir" 1989 schrieb. 20 Jahre später ist Kenneth Branagh Kurt Wallander. Er gibt dem grüblerischen Kriminalkommissar, der auch mal in Tränen ausbricht, ein schwermütiges Gesicht, das die Herzen der Deutschen mit Melancholie und Leidensfähigkeit erobert.

Zwei Rollen eines Weltstars, beide sind typisch für Kenneth Branagh. Einmal spielt er den spätmittelalterlichen Herrscher und die Welt nimmt verblüfft bis verstört wahr, wie sehr Entschlossenheit und Rücksichtslosigkeit ein Gesicht beherrschen können. Dann verkörpert das gleiche, entsprechend gealterte Gesicht in unvergleichlicher Weise die Verletzbarkeit eines Mannes voller Selbstzweifel. Beide Rollen sind Beispiele für die große Kunst eines Schauspielers, der zweifellos zu den besten der Welt gehört. Am 10. Dezember feiert Kenneth Branagh seinen 60. Geburtstag.

Eine Karriere dank Shakespeare

Sein größter Motivator ist ein Mann, der vor über 400 Jahren zu Grabe getragen wurde. William Shakespeare (1564-1616) hat sein Leben bestimmt wie kein anderer, und würde man heute Kenneth Branagh als Mr. Shakespeare bezeichnen, niemand in der Theaterwelt würde auch nur die Stirn runzeln.

Schon als Schüler vertiefte sich Branagh in die Werke Shakespeares; auch bei seiner akademischen Ausbildung an der Royal Academy of Dramatic Arts stand Shakespeare stets im Fokus. Er wurde von der Royal Shakespeare Company als Schauspieler engagiert, er spielte in Shakespeares Dramen, holte sie auf die Bühne oder verfilmte sie, und seit 2014 ist er Ehrenpräsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. In einem Interview mit der "FAZ" 2014 verriet er, dass neben seinem Bett und in seinem Bad immer eine Ausgabe von Shakespeare liegt.

Wie ist es, ein Royal zu sein?

Als Branagh 1983 in der Royal Shakespeare Company Shakespeares "Henry V." spielen sollte, schrieb er Prinz Charles (72) einen Brief und bat um ein Treffen. "Ich wollte wissen, wie das ist, ein Mitglied des Königshauses zu sein, buchstäblich ein Prince of Wales. Wie wir das Stück verstanden, handelte es stark vom Innenleben des Königs, und ich wollte etwas erfahren über die Einsamkeit und Melancholie, die aus dem Gefühl der Isolation entsteht, das man in dieser Position hat." Charles, der selbst gern Schauspieler geworden wäre, traf Branagh und erzählte ihm, dass er sich, wie im Mittelalter der junge Prinz Henry V., inkognito unter seine Soldaten mischte und ihn keiner erkannt habe. "Für Leute in dieser Position ist das wie ein Initiationsritus."

Manchmal erzählt er von dem Tag im Jahr 1990, als die Oscar-Nominierungen verkündet wurden, "und ich war als Darsteller und Regisseur für Henry V. dabei." Ständig riefen Leute an: "Lass uns Mittagessen gehen, wir müssen das feiern!" Branagh sagte, er könne leider nicht, er habe am Nachmittag im Theater einen Durchlauf für die Zweitbesetzung von König Lear von Shakespeare. "Das war ich! Am Nachmittag der Oscar-Nominierung! Und das für ein Publikum von ungefähr drei Leuten!" Einen Oscar zu gewinnen, dazu hat es bislang allerdings trotz fünf Nominierungen nicht gereicht: als bester Hauptdarsteller, Nebendarsteller, Drehbuchautor, Regisseur und für den besten Kurzfilm. Dafür hat ihm die Queen's University Belfast den Ehrendoktor in Literatur verliehen und die Queen ihn 2012 zum Ritter geschlagen.

Seine Eltern waren gegen die Schauspielerei

Dabei ist Sir Kenneth, ein Hohepriester der englischen Kultur, eigentlich gar kein Engländer, sondern wurde im nordirischen Belfast geboren. Als er neun Jahre alt war, zog die Familie, sein Vater war Tischler, wegen ständiger politischer Unruhen nach Reading in der südenglischen Provinz Berkshire, westlich von London. Dort verstand man ihn wegen seines starken nordirischen Akzents kaum. "Ich denke, damals fing es an, dass ich eine Art Chamäleon war und Masken benutzte. Als Kind gefiel mir das Spielen besonders, wenn man in eine Rolle schlüpfen konnte", erzählte Branagh der "FAZ".

Dass er Schauspieler werden wollte, beunruhigte seine Eltern. Das bedeutete für sie, "dass ich homosexuell war oder auf dem Wege dahin." Selbst als sich große Erfolge einstellten, machten sie sich weiterhin Sorgen. Das änderte sich jedoch durch einen USA-Besuch: "1996, kurz nach der Premiere von 'Hamlet', war ich bei einer Ehrung für Jack Lemmon in Washington, und wir waren auch im Weißen Haus, meine Eltern und ich. Das war für sie eine unfassbare Reise - aus dem Belfast der Arbeiterklasse ins Weiße Haus, wo sie Präsident Clinton trafen, auch wenn es nur kurz war. Die beiden hörten, wie er zu mir sagte: 'Ich liebe Ihre Filme' - das war fantastisch für sie. Im nächsten Raum stürzte sich meine Mutter auf andere Prominente, die ebenfalls eingeladen waren, und fragte: 'Haben Sie gehört, was der Präsident zu meinem Sohn gesagt hat?'"

Branaghs geradliniges Beziehungsleben

Mit 29 heiratete Kenneth Branagh seine Schauspielkollegin Emma Thompson (61). Sie hatten sich 1986 bei Dreharbeiten zur Mini-Serie "Fortunes Of War" kennengelernt. Ken & Em waren das Traumpaar der britischen Kultur- und Show-Szene. Elf Filme drehten sie zusammen, darunter die Shakespeare-Verfilmungen "Heinrich V." und "Viel Lärm um nichts". Dann kam der Bruch, denn 1994 hatte Branagh am Filmset von "Mary Shelley's Frankenstein" die Kollegin Helena Bonham Carter (54) kennen und lieben gelernt. Ihre Beziehung hielt bis 1999. Drei Jahre darauf, bei den Dreharbeiten zu "Shackleton", lernte Branagh seine heutige Ehefrau Lindsay Brunnock (50) kennen, die beiden heirateten 2003 und sind bis heute kinderlos verheiratet.