Jetzt müssen sich auch die Staats- und Regierungschefs mit den seit Wochen blockierten EU-Sanktionen zu Belarus befassen: Trotz eines Appells von Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja konnten die EU-Außenminister am Montag erneut keine Strafmaßnahmen gegen Verantwortliche für Wahlbetrug und Gewalt gegen Demonstranten beschließen. Denn Zypern hielt an seinem Veto fest, weil es gleichzeitig Sanktionen gegen die Türkei im Streit um Gas-Bohrungen im östlichen Mittelmeer will.
Der zyprische Außenminister Nikos Christodoulides bekräftigte in Brüssel diese Forderung und forderte eine Gleichbehandlung beider Fälle. Es könne keine "Reaktion à la carte" bei EU-Sanktionen geben, sagte er und machte erneut deutlich, dass sein Land nicht gegen die Sanktionen zu Belarus sei.
Die Opposition in Belarus wirft der Regierung massiven Betrug bei der Präsidentschaftswahl vom 9. August vor, die Amtsinhaber Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben soll. Seit der Wahl gibt es heftige Proteste gegen den seit 26 Jahren autoritär regierenden Präsidenten. Die Sicherheitskräfte gehen gewaltsam gegen Demonstranten vor.
"Wir betrachten diese Wahlen als gefälscht", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach den Ministerberatungen. "Wir erkennen die Legitimität Lukaschenkos nicht an." Die EU fordere "neue, freie und faire Wahlen" unter Beobachtung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Schon im August hatten die EU-Außenminister grundsätzlich Sanktionen gegen Verantwortliche für Wahlbetrug und Gewalt gegen Demonstranten beschlossen. Inzwischen gibt es eine Liste mit 40 Personen, die mit Einreisesperren und Kontosperrungen belegt werden sollen. Durch die Blockade Zyperns können diese aber nicht in Kraft gesetzt werden.
Am Morgen kamen die EU-Außenminister mit der belarussischen Oppositionsführerin Tichanowskaja zusammen. Wie später auch bei einer Anhörung im Europaparlament zeigte sie Fotos, die Misshandlungen von Demonstranten durch die belarussischen Sicherheitskräfte belegen sollen. Tichanowskaja forderte die EU auf, "mutiger" in der Sanktionsfrage zu sein und dabei auch gegen Präsident Alexander Lukaschenko vorzugehen.
Diese Forderung griff Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auf. "Die Gewalt, die Lukaschenko gegen friedliche Demonstranten ausübt, ist völlig inakzeptabel", sagte er in Brüssel. Die EU müsse sich deshalb die Frage stellen, ob nicht Lukaschenko als Hauptverantwortlicher "ebenfalls von der Europäischen Union sanktioniert werden muss".
Borrell zufolge wird die Frage weiter diskutiert. Es gab dem Vernehmen nach Unterstützung von einer Reihe von Ministern für den Plan.
Doch eine Ausweitung auf Lukaschenko läuft ins Leere, solange die EU nicht in der Lage ist, überhaupt Sanktionen zu Belarus zu beschließen. Lettlands Außenminister Außenminister Edgars Rinkevics schrieb nach den Beratungen auf Twitter, die EU sei Opfer "einer Geiselnahme durch einen Mitgliedstaat" geworden. "Das schickt das falsche Signal an die Belarussen, unsere Gesellschaften und die gesamte Welt."
Die Belarus-Sanktionen sind damit nun auch Thema beim EU-Gipfel Ende der Woche. Die Staats- und Regierungschefs wollten am Donnerstag und Freitag ohnehin über das künftige Verhältnis zur Türkei beraten.
Maas sagte zu dem Gas-Konflikt zwischen der Türkei und den EU-Mitgliedern Zypern und Griechenland, es könne nur eine Lösung über Verhandlungen geben. Er sehe bis zum EU-Gipfel noch ein "diplomatisches Fenster" für Gespräche mit Ankara, das genutzt werden müsse.
by Von Martin TRAUTH