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Zweiter Schadenersatzprozess wegen Missbrauchs gegen katholische Kirche begonnen

Vor dem Landgericht im bayerischen Traunstein hat am Dienstag ein zweiter ziviler Schadenersatzprozess eines Missbrauchsopfers gegen die katholische Kirche begonnen. Ein Mann klagt gegen das Erzbistum München und Freising sowie einen des Missbrauchs beschuldigten pädophilen früheren Priester auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro. In einem ersten vergleichbaren Verfahren verurteilte das Landgericht Köln in der vergangenen Woche das Kölner Erzbistum zu einer Zahlung.

Das Traunsteiner Verfahren betraf zunächst auch den vor etwa einem halben Jahr verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. beziehungsweise dessen Erben. Der als Joseph Ratzinger in Bayern geborenen Benedikt XVI. war früher Erzbischof in München. Der Kläger forderte von dessen Erben daher weitere 50.000 Euro. Das Landgericht trennte das Verfahren am Montag allerdings ab, weil die Frage eines Rechtsnachfolgers von Benedikt XVI. noch ungeklärt ist.

In dem Fall geht es den 1980 aus dem nordrhein-westfälischen Bistum Essen ins Erzbistum München gewechselten pädophilen Priester Peter H., der in beiden Bistümern Kinder missbrauchte. In München wurde er zur Zeit des damaligen Erzbischofs Ratzinger aufgenommen, obwohl aus Essen bereits Missbrauchstaten bekannt waren. An seinen neuen Dienststellen in Bayern beging er dann weitere Taten, H. wurde dazwischen aber lediglich versetzt.

Strafrechtlich sind die Vorwürfe verjährt, weshalb ein Missbrauchsopfer auf dem Weg einer Zivilklage vor dem Landgericht Traunstein Ansprüche geltend machen will. Das Münchner Erzbistum erklärte bereits vor rund einem halben Jahr, zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz bereits zu sein. Die Erzdiözese bedaure das Leid aller Missbrauchsopfer "zutiefst".

Nach Angaben einer Sprecherin des Landgerichts vom Dienstag nahm der Kläger am Montag kurz vor Prozessauftakt außerdem noch seine Klage gegen den ehemaligen Münchner Kardinal Friedrich Wetter zurück, der ursprünglich neben dem Erzbistum, dem beschuldigten H. sowie den Rechtsnachfolgern Benedikts ebenfalls zu den Beklagten gehört hatte. Gründe dafür wurden nicht genannt. Wetter hatte das Münchner Erzbistum von 1982 bis 2008 geleitet.

Laut Landgericht wurde das Verfahren zu den Schmerzensgeldforderungen an die Erben Benedikts XVI. abgetrennt, "da die Rechtsnachfolge ungeklärt ist und nicht abzusehen ist, wann insoweit eine Klärung herbeigeführt werden kann". Die Erbenermittlung selbst erfolge nicht durch das Landgericht, fügte es hinzu. Das Verfahren könnte aber später durchaus noch folgen.

Bereits am vergangenen Dienstag hatte das Landgericht in Köln das dortige Erzbistum zur Zahlung von 300.000 Euro Schmerzensgeld an einen 62-jährigen Missbrauchsbetroffenen verurteilt. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Das Kölner Erzbistum bezweifelte die Missbrauchsvorwürfe in dem Verfahren nicht und verzichtete darauf, Verjährung geltend zu machen.

Vertreter von Missbrauchsopferverbänden erhoffen sich von dem Zivilprozessen in Köln und Traunstein eine Vorbildwirkung für ähnliche Fälle. Bisher leistete die katholische Kirche freiwillige Zahlungen an Betroffene von sexuellem Missbrauch als sogenannte Anerkennungsleistung für erlittenes Leid, die bei der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen in Bonn beantragt werden müssen. Opfer erhielten bislang rund 40 Millionen Euro.

bro/cfm