Am dritten Tag der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt im US-Bundesstaat Wisconsin sind zwei Menschen erschossen worden. Ein weiterer Mensch sei am Dienstagabend nach Zusammenstößen verschiedener Gruppen in der Stadt Kenosha mit schweren, aber nicht lebensgefährlichen Schussverletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, teilte die Polizei mit. Ermittelt wird Medienberichten zufolge, ob die Schüsse im Zusammenhang mit der Anwesenheit bewaffneter, selbsternannter weißer Milizen in der Stadt standen.
In Kenosha hatten sich auch am Dienstag wieder hunderte Menschen an Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt beteiligt, die durch die Polizeischüsse auf den 29-jährigen Jacob Blake ausgelöst worden waren. Der unbewaffnete Afroamerikaner war am Sonntag von einem weißen Polizisten durch mehrere Kugeln in den Rücken schwer verletzt worden, während seine drei Kinder zusahen. Nach Angaben seiner Familie ist Blake von der Hüfte abwärts gelähmt und wird womöglich nie wieder laufen können.
Am Dienstagabend hielt sich mindestens eine Gruppe hauptsächlich weißer und schwer bewaffneter Männer in Kenosha auf, die nach eigenen Angaben Grundstücke vor Angriffen von Demonstranten schützen wollten. Wie die "New York Times" berichtete, ging die Polizei dem Verdacht nach, dass die tödlichen Schüsse ihren Ursprung in einem Streit zwischen Protest-Teilnehmern und einer bewaffneten Gruppe hatten, die eine Tankstelle bewachten.
Die tödlichen Schüsse ereigneten sich nach Polizeiangaben kurz vor Mitternacht. Ermittlungen seien im Gange. Auch habe die Polizei Kenntnis von Videos in den Online-Netzwerken "im Zusammenhang mit diesem Vorfall".
Auf einem von der Nachrichtenagentur AFP verifizierten Video war ein stark blutender Mann mit einer Schusswunde zu sehen. Die Polizei rief daraufhin Verstärkung, Beamte halfen dem Mann auf die Beine. Ein weiteres Video zeigte einen offenbar mit einem Gewehr bewaffneten Mann, der zu Boden fiel, kurz bevor mehrere Schüsse zu hören waren. Andere Menschen auf dem Video liefen panisch davon und forderten einander auf, Schutz zu suchen.
Die Demonstrationen waren zu Beginn größtenteils friedlich verlaufen. Bereits am Sonntag und Montag hatte es aber vereinzelt Ausschreitungen gegeben, bei denen Demonstranten auch Autos angezündet oder Feuer an Gebäuden gelegt hatten.
Am Dienstagabend waren zahlreiche bewaffnete Zivilisten in der Stadt zu sehen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die Polizeipräsenz war insgesamt niedrig und konzentrierte sich auf die Umgebung des Gerichtsgebäudes. Dort hatte es in den vergangenen beiden Nächten mehrere Konfrontationen zwischen Polizisten und Demonstranten gegeben.
Auch am Dienstag ging die Polizei in der unmittelbaren Umgebung des Gerichtsgebäudes wieder mit Gummigeschossen gegen Demonstranten vor, die Feuerwerkskörper auf Beamte warfen. Mit Blick auf mögliche weitere Proteste am Mittwochabend sperrte die Polizei das Gerichtsgebäude in der Nacht zum Mittwoch mit einem provisorischen Eisenzaun ab.
Die Mutter des durch die Polizeischüsse verletzten Afroamerikaners Blake, Julia Jackson, verurteilte die Ausschreitungen in Kenosha am Dienstag und rief zur Ruhe auf. "Wenn Jacob wüsste, was an Gewalt und Zerstörung passiert, wäre er sehr unerfreut", sagte sie. Die Ausschreitungen spiegelten "nicht das wider, was mein Sohn und meine Familie sind".
Blakes Vater warf der Polizei einen "sinnlosen Mordversuch" vor. Den Anwälten von Blake zufolge durchschlugen sieben Polizeikugeln seine Wirbelsäule, seinen Magen, seine Leber und einen Arm. Die genauen Hintergründe des auf einem Handyvideo festgehaltenen Vorfalls sind unklar. Die beteiligten Beamten wurden suspendiert, die Kriminalpolizei ermittelt.
Der erneute Fall von Polizeigewalt drei Monate nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis sorgt für Empörung in den USA. Proteste gab es auch in New York und Minneapolis. Für Freitag ist in der Hauptstadt Washington ein großer Marsch gegen Polizeigewalt geplant. Er findet am 57. Jahrestag der berühmten Rede "I Have a Dream" ("Ich habe einen Traum") des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King statt.
by Von Robert CHIARITO