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ZWEI JAHRE NACH DER KATASTROPHE IM AHRTAL

Das Geisterhaus der Todes-Flut

Rosemarie Degen (86) und ihr Sohn Gregor (64) hatten das Café und die Backstube in Ahrweiler vor der Hochwasser-Katastrophe am 14. Juli 2021 gerade frisch renoviert.

Zwei Jahre nach der Todes-Flut leben sie noch immer auf einer Baustelle. Und sie bangen um ihre Existenz! Die Seniorchefin kämpft mit den Tränen, sagt: „Meine Großeltern haben die Bäckerei 1900 gegründet. Ich habe schon als kleines Mädchen im Betrieb mitgeholfen, damals kosteten sieben Brötchen noch 20 Pfennig. Da gibt man nicht einfach auf.“

Dieter Wenzel verliert sein Haus an die Flut - trotzdem soll er Strom zahlen. Jeden Monat!

Es ist die Sieben-Millionen-Euro-Frage: Wie kann eine Event-Managerin so abkassieren?

2,86 Meter hoch stand hier das Wasser, während in den Straßen näher an der Ahr Menschen starben.

Im gesamten Tal gab es 135 Tote, allein in der Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler 75.

Auch Familie Degen war traumatisiert, wollte trotzdem schnell anpacken, doch sie scheiterten an Bürokratie und Handwerker- Abzocke!

Rosemarie Degen: „ Ohne die freiwilligen Helfer wären wir verloren gewesen. Tagelang haben sie zu neunt den Schlamm rausgeschleppt. Dann passierte lange nichts.“

Ein Gutachter der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) schätzte den Schaden auf 900 000 Euro.

„Doch ich kann keine Handwerker beauftragen, wenn das Geld noch nicht da ist. Hier steckt schon all unser Erspartes drin, wir können nicht ständig nur in Vorleistung gehen. Hinzu kommt, dass die Preise in der Zwischenzeit explodiert sind.“

Die ISB bewilligte 80 Prozent der Schadenssumme, 20 Prozent davon wurden ausgezahlt.

Für den Rest müssen die Rechnungen einzeln eingereicht werden. Fatal: „Die ersten Handwerker ließen uns nach kurzer Zeit im Stich. Der Elektriker tauchte nach der ersten Zahlung nicht mehr auf. Der Verputzer putzte sogar die Steckdosen zu. Die Firma existiert schon nicht mehr.“

Architekt Carl Birkle bestätigt: „Direkt nach der Flut gab es eine beeindruckende Hilfsbereitschaft.

Dann kam die Goldgräber-Phase, wo angebliche Fachfirmen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten, schlechte Arbeit zu überhöhten Preisen anboten.“ Jetzt sei die Phase, wo noch mehr Bürokratie und Handwerker-Mangel alles verzögert. „Deshalb geht’s hier nur stückchenweise vorwärts.“ Rosemarie Degen sagt auch mit Blick auf Nachbarn und Freunde: „Wir haben bald alle keine Kraft mehr.“

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (62, SPD) hatte „schnelle und passgenaue Hilfen“ versprochen.

Fakt ist: Von den 15 Milliarden Wiederaufbau-Hilfe des Bundes sind laut Staatskanzlei 1,6 Milliarden Euro bewilligt (Stand Juni 2023) – das sind gut zehn Prozent. Aber nur die Hälfte davon, also rund fünf Prozent, soll bereits ausgezahlt worden sein.

► Die landeseigene Investitions- und Strukturbank (ISB) hat davon für Hausrat, Gebäude und Unternehmen 1,043 Milliarden Euro gebilligt (Stand 10.7.2023).

► Im Ahrtal wurden 28 Brücken zerstört. Laut „Landes-Betrieb Mobilität“ (LBM) sind inzwischen sechs wiederhergestellt, zwölf in Planung, der Rest noch nicht bearbeitet. Die Flut hat auch mehr als 70 Kilometer Straßen zerstört. Dazu heißt es: „Grundsätzlich sind alle Maßnahmen provisorisch unter Verkehr.“ Fertig ist z. B. die wichtige Verbindung der B 267 durch den Tunnel Altenahr.

►„Aktion Deutschland Hilft“ hat insgesamt 283 Millionen Euro Flut-Spenden erhalten.

Nach Abzug der Aktions- und Betriebskosten stehen laut einem Sprecher allerdings nur 261 Millionen Euro zur Verfügung. Davon wurden bis jetzt 70 Prozent (184 Millionen Euro) für Hilfsprojekte überwiesen.

► Allein im Winzer-Dorf Dernau waren 550 Häuser stark beschädigt, rund 180 sind es immer noch.

Bürgermeister Alfred Sebastian zu BILD: „Von den Häusern mit zwei Vollgeschossen ist nur jedes fünfte bewohnbar.“

► Auch die Kommunen stöhnen über die lähmende Bürokratie beim Wiederaufbau!

Beim Kreis Ahrweiler heißt es: „Ein ‚Sonderrecht‘ für das flutbetroffene Gebiet besteht bislang noch nicht.“ Sprich: Es gibt keine beschleunigten Genehmigungs-Verfahren! Das sei mit erheblichem Personal-, Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

Rosemarie Degen hat einen großen Lichtblick: „Meine drei Urenkel sind fünf Jahre, drei Jahre und neun Monate alt. Das hält mich auf Trab.“

Und eine große Hoffnung: „Wir wollen noch in diesem Jahr wieder eröffnen und in zwei Jahren 125-jähriges Jubiläum feiern.“ Die Flut darf nicht das Ende gewesen sein.