In der Debatte um einen Industriestrompreis oder Brückenpreis hat der Ökonom Tom Krebs von der Uni Mannheim eine Anpassung und Verlängerung der Strompreisbremse bis 2030 ins Spiel gebracht. Das könne "Produktionsverluste verhindern und gleichzeitig helfen, die Klimaziele zu erreichen", heißt es in einem Arbeitspapier, das von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde. Gleichzeitig biete diese Variante Privathaushalten eine wichtige "Rückversicherung" gegen eine erneute Explosion der Strompreise.
Derzeit wird heftig darüber diskutiert, wie Unternehmen vor den derzeit hohen Strompreisen geschützt werden können, damit sie nicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Grüne und auch Teile der SPD befürworten einen subventionierten Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist skeptisch, die FDP lehnt das ab.
Krebs schlug nun in der am Mittwoch veröffentlichten Studie eine "klug auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnittene, zeitlich begrenzte und an Bedingungen gekoppelte verlängerte Strompreisbremse" vor. Diese könne Anreize für Unternehmen setzen, in einer schwierigen Übergangsphase mit "krisenbedingt übersteigerten Energiepreisen" nötige Investitionen zu tätigen. So könne eine langjährige Stagnationsphase vermieden werden.
Die aktuelle Strompreisbremse deckelt den Strom bei 40 Cent pro Kilowattstunde für Haushalte und kleine Firmen und bei 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen für Industriekunden - jeweils für einen Basisverbrauch. Die Studie schlägt nun außer der Verlängerung mehrere Anpassungen vor.
So könnte der garantierte Nettostrompreis - also ohne Steuern, Abgaben und Umlagen - für Stromkunden mit einem Jahresverbrauch über 30.000 Kilowattstunden zehn Cent pro Kilowattstunde betragen. Das beträfe vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Für Stromkunden unter dieser Schwelle, also Privathaushalte und Kleingewerbe, könnte ein garantierter Bruttostrompreis von 35 Cent gelten. Orientieren soll sich die Strompreisbremse jeweils am aktuellen, nicht am vergangenen Stromverbrauch.
Weiterhin schlägt der Wirtschaftswissenschaftler vor, dass energieintensive Firmen einen garantierten Nettopreis von sechs Cent pro Kilowattstunde erhalten, wenn sie eine Verpflichtung zur Transformation und eine Standort- und Beschäftigungsgarantie abgeben. Gelten könne das für Grundstoffbranchen wie Baustoffe, Chemie, Glas und Stahl, aber auch für die Wasserstoffelektrolyse, die Batterieproduktion und die Chipherstellung. Nicht zuletzt schlägt Krebs eine zusätzliche Reduzierung des Nettostrompreises um einen Cent für Unternehmen mit Tarifbindung vor.
Die Kosten schätzt die Studie je nach Entwicklung der Strompreise am Markt auf 20 bis 60 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. Finanziert werden soll das Ganze aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der bereits zur Finanzierung der aktuellen Energiepreisbremsen verwendet wird.
Die Finanzierung aus dem WSF sei angesichts eines Volumens von derzeit 140 Milliarden Euro "gut machbar" und auch angemessen, da es sich um eine zeitlich befristete Maßnahme zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise handle, erklärte Krebs. Der langfristige Schaden einer chronischen Wachstumsschwäche sei hingegen "kaum abzuschätzen".
Die verlängerte Strompreisbremse sei allerdings "keine Dauersubvention", stellte Krebs klar. Der Vorschlag solle vielmehr Planungssicherheit für eine Übergangsphase schaffen, "bis der Strompreis auf sein langfristiges Gleichgewichtsniveau gefallen ist". Außerdem müsse das Konzept zwischenzeitlich evaluiert werden.
Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi, die die Studie gemeinsam mit Krebs präsentierte, betonte vor allem die tarifgebundenen und standorttreuen Betriebe, die "besonders geschützt" werden müssten. Neben der Tarifbindung müsse zudem klar sein, dass ein solch staatlich garantierter Strompreis nur zeitlich befristet als sicherer Pfad bis zum gelungenen Ausbau der Erneuerbaren Energien gelte.
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