Mehrere Stunden nach Schließung der Wahllokale im US-Bundesstaat Georgia ist der Ausgang der immens wichtigen Nachwahlen zum Senat noch völlig offen geblieben. Am späten Dienstagabend (Ortszeit) lagen die zwei republikanischen Senatoren Kelly Loeffler und David Perdue und ihre Herausforderer Raphael Warnock und Jon Ossoff von der Demokratischen Partei nach Auszählung von etwas mehr als 60 Prozent der Stimmen dicht beieinander.
Die US-Fernsehsender wollten deshalb zu diesem Zeitpunkt noch keine Sieger ausrufen. Nach Angaben von Behördenvertretern kann es mehrere Tage dauern, bis die Sieger feststehen.
In dem südlichen Bundesstaat wird über die künftige Machtverteilung in Washington entschieden: Es geht darum, ob die Republikanische Partei des scheidenden Präsidenten Donald Trump im Senat in der Mehrheit bleibt oder dort die Demokraten des künftigen Präsidenten Joe Biden die Oberhand erlangen.
Da die Demokraten bereits im Repräsentantenhaus - der anderen Kongresskammer - die Mehrheit stellen, hätten sie bei Eroberung der beiden Senatsmandate von Georgia künftig die Kontrolle über den gesamten Kongress.
Nach bisherigem Stand haben die Republikaner im neuen Senat mindestens 50 Sitze und die Demokraten mindestens 48. Gewinnen die Demokraten in Georgia beide Sitze, entstünde zwar eine Patt-Situation. Dennoch wären die Demokraten dann im Vorteil, weil bei einem Patt die künftige Vizepräsidentin Kamala Harris, die kraft ihres Amtes auch Senatspräsidentin sein wird, mit ihrer Stimme den Ausschlag geben würde.
Auf der anderen Seite müssen die Republikaner nur eines ihrer beiden Senatsmandate in Georgia verteidigen, um in der Kammer in der Mehrheit zu bleiben. Die Nachwahlen waren notwendig geworden, weil keiner der Senatskandidaten in Georgia bei den parallel zur Präsidentschaftswahl abgehaltenen Kongresswahlen vom 3. November auf mehr als 50 Prozent gekommen war. Dies macht nach den in Georgia geltenden Wahlgesetzen Stichwahlen erforderlich.
Biden und Trump hatten am Montag bei Auftritten in Georgia die immense Bedeutung der Stichwahlen für das ganze Land betont. In dem Bundesstaat werde womöglich nicht nur über die Zukunft der USA in den kommenden vier Jahren, sondern über die Zukunft der "nächsten Generation" entschieden, sagte Biden. Er bezog sich damit auf seine Reformpläne etwa in der Sozial- und Umweltpolitik. Trump sagte, die Senatsnachwahlen seien womöglich die "letzte Chance, jenes Amerika zu retten, das wir lieben".
Die Kontrolle der Demokraten über den gesamten Kongress würde Biden das Regieren erheblich erleichtern. Behalten die Republikaner hingegen die Mehrheit im Senat, können sie politische Vorhaben und Personalentscheidungen des künftigen Präsidenten blockieren. Biden soll Trump am 20. Januar im Weißen Haus ablösen.
An diesem Mittwoch steht in Washington die formelle Bestätigung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl durch Repräsentantenhaus und Senat an. Normalerweise ist dies reine Formsache - diesmal kündigte jedoch ein Teil der republikanischen Parlamentarier Vorstöße zur Blockade der Wahl-Zertifizierung an. Diese Initiativen gelten allerdings als aussichtslos.
Zudem ist für Mittwoch eine Großdemonstration von Trump-Anhängern in Washington gegen die Bestätigung von Bidens Sieg geplant. Trump will bei der Demonstration eine Rede halten, wie er am Dienstag ankündigte.
Trump behauptet seit Wochen unverdrossen, bei der Wahl habe es massiven Betrug gegeben. Irgendwelche Belege hat er dafür nicht präsentiert. Der abgewählte Präsident lässt sich auch nicht dadurch beirren, dass dutzende von seinem Lager ausgegangene Anfechtungen der Wahl von den Gerichten abgewiesen worden sind.
Hunderte Trump-Unterstützer strömten bereits am Dienstag zu Protesten in der US-Hauptstadt zusammen. Die Polizei befürchtet Gewaltausbrüche bei den Demonstrationen. Zu den Protesten haben sich auch rechtsradikale Gruppen angekündigt.
by Von Elodie CUZIN