Tränenreiche Brit Awards
Sie ist der absolute Shootingstar der aktuellen Musikszene: Die US-amerikanische Singer-Songwriterin Billie Eilish (18, “When We All Fall Asleep, Where Do We Go?”) hat in den letzten Monaten eine Erfolgsgeschichte hingelegt, für die andere Top-Künstler ein ganzes Leben brauchen. Gekrönt wurde ihr kometenhafter Aufstieg vorläufig im Januar 2020 als sie bei den Grammys insgesamt fünf Trophäen mit nach Hause nahm. Ihr Auftritt bei den Oscars gerät da schon fast in Vergessenheit.
Wenige Tage zuvor wurde außerdem bekannt, dass sie den neuen Bond-Song “No Time To Die” singen wird – als bisher jüngste Interpretin überhaupt. Dabei ist die überzeugte Veganerin gerade einmal zarte 18 Jahre alt – und scheint nun mit dem Ruhm ein wenig überfordert. Zumindest bereitet der gestrige Auftritt bei den Brit Awards ein wenig Sorgen.
Nach ihrer ersten Live-Performance des Bond-Titeltracks in London und der Übergabe ihres Preises, brach es aus Eilish heraus: Mit einer emotionalen Rede überraschte die Sängerin die anwesenden Gäste. Offensichtlich spontan und unvorbereitet erzählte sie, dass sie sich in letzter Zeit sehr gehasst fühlte – trotz ihres unfassbaren Erfolges.
Schluchzend und mit Tränen in den Augen fuhr sie fort: “Als ich dann hier aber auf der Bühne stand und sah, dass ihr mich anlacht, wollte ich weinen – ganz ehrlich.” Hintergrund dieses rührenden Ausbruchs sind Social-Media-Anfeindungen, die Eilish zuletzt über sich ergehen lassen musste und die ihr offenbar mehr zusetzen, als erwartet werden konnte. Vor allem ihr Oscar-Auftritt, bei dem sie den Beatles-Klassiker “Yesterday” neu interpretierte, gefiel nicht jedem.
In einem Interview im “BBC-Frühstücksfernsehen” am Morgen der Brit Awards konkretisierte sie ihre derzeitige Gefühlslage: “Es ist seltsam: Je cooler deine Sachen sind, […] desto mehr hassen dich die Menschen.” Sie habe deswegen vor einigen Tagen aufgehört, diese Kommentare bei Facebook, Instagram und Co. überhaupt zu lesen.
Sie wisse zwar, dass man diese Shitstorms und Hass-Nachrichten nicht so ernst nehmen dürfe, aber das sei gar nicht so einfach wie man denkt. “Leute gehen für einen Witz über Leichen”, sagte Eilish. Sie selbst sei gern im Internet und fände vieles davon lustig, aber es gäbe eben viele Idioten, die alles für einen Spaß machen würden. Anders sei dies im echten Leben, beim direkten Kontakt mit ihren Fans. Da sehe sie, dass die Leute ihre Freunde sein wollen und Menschen seien wie sie.
Auch ihr typischer Kleidungsstil hat im Übrigen für sie eine Schutzfunktion: Sie setzt bei jedem öffentlichen Auftritt auf weite, schlabbrige Kleidung – oft mit Hoodies und Baggy-Pants garniert. In einem Interview für die Modemarke Calvin Klein verriet sie im vergangenen Jahr ihre Intention des Ganzen: “Ich möchte nicht, dass die Welt alles über mich weiß.”
Mit ihren nicht-figurbetonten Klamotten könne sich niemand eine Meinung bilden, weil er nicht sehe, was unter der Kleidung stecke: “Niemand kann Sachen sagen wie: ‘Oh, sie ist schlank, sie ist nicht schlank, sie ist flach, sie hat einen flachen Arsch, sie hat einen fetten Arsch.'”
Ihre scheinbare Labilität ist aber möglicherweise nicht ausschließlich mit ihrem Alter zu erklären. Die extravagante Eilish erzählte bereits im Sommer letzten Jahres dem “Billboard”-Magazin, dass sie in ihren jungen Jahren bereits Erfahrungen mit Depressionen gemacht habe. Außerdem leide sie eigenen Angaben zufolge auch unter der Nervenerkrankung Tourette, was sie möglicherweise darüber hinaus belastet.
Bleibt zu hoffen, dass Eilish nicht einen ähnlichen Weg einschlägt wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen zuvor, die bereits in jungen Jahren mit Ruhm, Geld und Ehre überhäuft wurden und sich oft wenig später in Drogen, Alkohol und tiefen Depressionen wiederfanden. Ihr derzeitiger Anker: ihre Familie. Bis heute lebt die 18-Jährige bei ihren Eltern im Nordosten von Los Angeles. Ihr älterer Bruder Finneas O’Connell (22) begleitet sie nicht nur als Co-Produzent und Co-Songwriter, sondern auch als helfende Hand und Ruhepol auf ihren Wegen.
(dr/spot)