Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat ein deutsches Restitutionsgesetz für NS-Raubkunst gefordert. "In der materiellen und immateriellen Aufarbeitung des NS-Unrechts wurde in Deutschland bereits viel getan", sagte Schuster laut vorab verbreitetem Redetext am Donnerstag bei einer Veranstaltung zum 20-jährigen Bestehen der Beratenden Kommission NS-Raubgut in Berlin. "Ein gerechtes Restitutionsgesetz wäre ein nächster und wichtiger Schritt."
Dass gerade die Bundesrepublik in der Frage solch eines Gesetztes hinterherhinke, werfe Fragen auf. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung lasse leider zu viel offen - "das darf uns nicht genügen", betonte der Zentralratspräsident.
Die Beratende Kommission NS-Raubgut wurde vor 20 Jahren ins Leben gerufen und berät in besonders komplexen Raubkunstfällen. Ihre Empfehlungen sind jedoch nicht bindend.
Das zehnköpfige Gremium hat nach eigenen Angaben seit seiner Gründung in 23 Fällen entschieden. Schuster nannte dies "keine wirklich gute Quote" - angesichts von schätzungsweise 200.000 gestohlenen Kunstwerken in Deutschland und Österreich während der Nazi-Zeit, sowie 600.000 insgesamt.
Gäbe es ein deutsches Restitutionsgesetz, wären die Entscheidungen der Kommission "im besten Fall nicht mehr nur 'beratend'", betonte der Zentralratspräsident. Sie wären stattdessen rechtlich bindend.
Kunstraub habe nicht nur wie häufig angenommen die Elite des jüdischen Bürgertums getroffen, sondern sich gezielt und in weitem Maße auch gegen eine jüdische Mittelschicht gerichtet. Deren geraubte Werke seien kunsthistorisch vielleicht kaum relevant, spielten aber für die Identität der Familien eine große Rolle. "Diese zu zerstören war der erste Schritt der NS-Vernichtungspolitik gegen Juden", sagte Schuster in seiner Rede.
Bei den Fällen von NS-Raubkunst gehe es deshalb um viel mehr als um Bürokratie, Rechtsvorschriften und Aktenvermerke. "Es geht um Würde, es geht um Identität, es geht um den Kern der Erinnerungskultur."
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