Zehntausende Spanier haben am Sonntag gegen das Vorhaben von Regierungschef Pedro Sánchez demonstriert, Vertretern der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung im Gegenzug für deren Unterstützung einer neuen Mitte-links-Regierung eine Amnestie zu gewähren. In Madrid folgten rund 100.000 Demonstranten nach Angaben der Stadtverwaltung einem Aufruf der rechtsextremen Partei Vox. Die konservative Volkspartei von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo mobilisierte bei einer eigenen Protestkundgebung im südspanischen Malaga eigenen Angaben zufolge über 20.000 Teilnehmer.
Der amtierende Regierungschef Sánchez von der Sozialistischen Partei hatte im Ringen um eine neue Parlamentsmehrheit nach den Wahlen vor drei Monaten den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern eine Amnestie für Aktivisten in Aussicht gestellt, die nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien im Jahr 2017 ins Visier der spanischen Justiz geraten waren.
Wahlsieger Núñez Feijóo wirft Sánchez vor, mit den Verhandlungen nur seinen eigenen Interessen zu dienen. In der Frage sollten alle Spanier abstimmen können, forderte er in Malaga. Vox-Chef Santiago Abascal warf Sánchez vor, die Einheit Spaniens aufs Spiel zu setzen, "um an der Macht zu bleiben". "Welche Schande, was für ein Verrat", sagte er vor den Demonstranten in Madrid.
Sánchez' Amnestie-Angebot hat nicht nur bei rechtsextremen und rechtsgerichteten Politikern wütende Reaktionen ausgelöst, sondern stößt auch innerhalb seiner eigenen Partei PSOE auf Ablehnung. Vor führenden PSOE-Mitgliedern verteidigte Sánchez am Samstag die Pläne. Die Begnadigung von neun katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern im Jahr 1921 habe den Konflikt "unbestreitbar" entspannt, sagte er. "Wir können diese Wunde nicht ewig offen lassen".
Sánchez Sozialisten hatten bei der Parlamentswahl am 23. Juli nur den zweiten Platz hinter den Konservativen von Núñez Feijóo erreicht. Dem Wahlsieger gelang es jedoch nicht, eine Mehrheit für sich als Regierungschef zu bekommen. Daraufhin betraute Spaniens König Felipe VI. den bisherigen Ministerpräsidenten Sánchez mit der Regierungsbildung.
ans/jes