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Zehntausende marschieren wieder gegen Machthaber Lukaschenko durch Minsk

Polizei nimmt mehr als 400 Menschen fest

Allen Einschüchterungsversuchen zum Trotz haben am Sonntag wieder zehntausende Menschen in der belarussischen Hauptstadt Minsk gegen Machthaber Alexander Lukaschenko protestiert. Nach Angaben des Innenministeriums nahm die Polizei mehr als 400 Demonstranten fest, 250 davon schon vor dem Protestzug. Nach Schätzung eines AFP-Korrespondenten kamen trotz geschlossenener U-Bahnstationen und abgeschaltetem Internet etwa 100.000 Menschen zusammen.

"Ich bin gekommen, um für die Freiheit zu demonstrieren, und ich werde weiter demonstrieren, wenn sie uns nicht zugestanden wird", sagte der 60-jährige Teilnehmer Oleg Simin AFP. "Wir werden weiter demonstrieren, bis es einen Machtwechsel gibt und wir körperlich dazu noch in der Lage sind. Bisher haben wir noch an keinem Sonntag gefehlt", sagten die beiden jungen Brüder Matwej und Sachar Krawtschenko.

Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August gehen die Belarussen jeden Sonntag zu Zehntausenden gegen den seit 26 Jahren mit eiserner Hand regierenden Präsidenten auf die Straße, werfen ihm Wahlfälschung vor und fordern Neuwahlen. Dabei lassen sie sich auch von dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte nicht abschrecken. Im Gedenken an die Opfer der Repression firmierten die Proteste diesmal unter dem Titel "Marsch der Helden".

Am Samstag waren die Sicherheitskräfte in Minsk auch mit großer Härte gegen tausende Frauen vorgegangen, die friedlich gegen Lukaschenko demonstrierten. Videoaufnahmen im Internet zeigten, wie maskierte Beamte Demonstrantinnen brutal in Kleinbusse stießen. Die Bürgerrechtsgruppe Wiasna berichtete von über 40 Festnahmen.

In einer Videobotschaft würdigte Lukaschenkos ins Exil geflohene Herausforderin, Swetlana Tichanowskaja, das Beharrungsvermögen ihrer Landsleute. Die Belarussen seien ein "wahrhaft heldenhaftes Volk", sagte sie. Auch in anderen Städten wie Gomel, Grodno oder Brest gab es Proteste, die Polizei setzte Wasserwerfer ein.

In der vergangenen Woche war Tichanowskajas enge Vertraute Maria Kolesnikowa unter abenteuerlichen Bedingungen festgenommen und in eine Haftanstalt nach Minsk gebracht worden. Vom oppositionellen "Koordinierungsrat", der mit der Regierung über einen friedlichen Übergang verhandeln sollte, hält sich jetzt nur noch Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch in Belarus auf und ist noch auf freiem Fuß.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) rief zur Unterstützung der Demonstrierenden auf. "Die vielen friedlichen Demonstranten und vor allem Demonstrantinnen beweisen tagtäglich, dass eine Lösung auf dem Gesprächsweg noch immer möglich ist", sagte Maas den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Angesichts der "massiven Unterdrückung so viel Haltung, Mut und Würde zu zeigen", verdiene allergrößten Respekt. Jetzt komme es darauf an, dass "wir die Menschen in Belarus nicht alleine lassen".

Lukaschenko hat mehrfach deutlich gemacht, dass er weder freiwillig zurücktreten wird noch zu einem Einlenken in anderer Form bereit ist. Vielmehr setzt er auf die Hilfe seiner russischen Verbündeten, um an der Macht zu bleiben. Kreml-Chef Wladimir Putin hat ihm bereits militärische Unterstützung zugesagt, sollte sich die Lage weiter zuspitzen.

Erstmals seit Beginn der Massenproteste reist Lukaschenko am Montag zu Gesprächen mit Putin nach Russland. Nach Kreml-Angaben geht es bei dem "Arbeitsbesuch" in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi um "die Perspektiven des Integrationsprozesses" zwischen beiden Ländern.

Russland strebt seit langem eine Union mit Belarus an, gegen die sich Lukaschenko bisher stets gewehrt hatte. Nach Einschätzung von Analysten könnte Putin seine Unterstützung nun von einem Verzicht Lukaschenkos auf die Souveränität seines Landes abhängig machen.

by Von Tatiana KALINOVSKAYA