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Zehntausende Belarussen demonstrieren erneut gegen Lukaschenko

Nato weist Aussagen zu Truppenbewegungen in Litauen und Polen zurück

Auch zwei Wochen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus hält die Opposition den Druck auf Präsident Alexander Lukaschenko unvermindert aufrecht: Zehntausende Menschen demonstrierten am Sonntag in Minsk erneut gegen den umstrittenen Staatschef. Dieser hatte zuvor die Behörden vor einer Teilnahme an "illegalen Demonstrationen" warnen lassen und die Armee in Alarmzustand versetzt. Die Nato wies derweil Angaben Lukaschenkos über angebliche Truppenbewegungen an der Grenze zu Belarus vehement zurück.

Viele der Demonstranten in Minsk schwenkten die rot-weiße Fahne der Opposition. Immer wieder forderten sie laut dem Bericht eines AFP-Korrespondenten in Sprechchören "Freiheit", den Rücktritt des seit 26 Jahren mit harter Hand regierenden Staatschefs und Neuwahlen. Laut lokalen Medien nahmen mehr als 100.000 Menschen an der Oppositionskundgebung teil.

Zuvor hatten die Behörden alle Staatsbürger vor der Teilnahme an "illegalen Demonstrationen" gewarnt. In Online-Medien wurden Videos veröffentlicht, die Polizisten in Kampfmontur und mit Wasserkanonen zeigten. Diese rückten offensichtlich Richtung Unabhängigkeitsplatz vor.

Parallel zu den Protesten in Minsk sollte es als Zeichen der Solidarität am Abend in Litauen eine Menschenkette von der Hauptstadt Vilnius bis zur belarussischen Grenze geben. Die Veranstalter erwarteten bis zu 50.000 Teilnehmer.

In Litauen hält sich auch die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja auf, die ihre Landsleute aufforderte, "jetzt vereint weiterzumachen im Kampf für das Recht". In einem AFP-Interview sagte sie: "Wir sind das Volk von Belarus, und wir sind eine Mehrheit und werden nicht zurückweichen." Erneut sprach sich die 37-Jährige für einen Dialog zwischen Lukaschenko und seinen Gegnern aus. Dieser müsse so bald wie möglich beginnen, um die Krise nicht noch zu verschärfen.

Der umstrittene Staatschef hatte am Samstag eine Militärbasis in Grodno im Westen des Landes nahe der Grenze zu Polen besucht. Dabei erneuerte er seinen Vorwurf, dass die Proteste "von außen" gesteuert seien. "Ich erteile dem Verteidigungsministerium die Anweisung, die striktesten Maßnahmen zu ergreifen, um die territoriale Integrität unseres Landes zu verteidigen", erklärte der Staatschef nach Angaben seines Büros.

Nato-Truppen in Polen und Litauen seien entlang der Grenze zu Belarus "ernsthaft in Bewegung", sagte Lukaschenko weiter. Er habe deshalb die gesamte Armee seines Landes in Alarmzustand versetzt.

Diese Angaben wurden von der Nato als "haltlos" zurückgewiesen. "Wie wir bereits klargemacht haben, stellt die Nato keine Bedrohung für Belarus oder irgendein anderes Land dar", erklärte Nato-Sprecherin Oana Lungescu am Samstagabend in Brüssel. Eine "militärische Verstärkung in der Region" finde nicht statt. Die Regierung in Minsk rief die Nato-Sprecherin zur "uneingeschränkten Achtung" der Grundrechte auf.

Auch Polen und Litauen dementierten die Angaben Lukaschenkos zu den angeblichen Truppenbewegungen in ihren Ländern: Die Regierung in Warschau sprach von "Regime-Propaganda", Litauens Präsident Gitanas Nauseda von "völlig haltlosen Aussagen über imaginäre äußere Bedrohungen". "Das Regime in Minsk versucht um jeden Preis, die Aufmerksamkeit von den inneren Problemen des Landes abzulenken", sagte der Staatschef der Nachrichtenagentur AFP.

Das litauische Außenministerium kündigte für Montag einen Besuch von US-Außenstaatssekretär Stephen Biegun in Litauen und Russland an, um über die Situation in Belarus zu sprechen.

In Belarus gibt es seit der Präsidentenwahl vom 9. August Massenproteste gegen Lukaschenko. Laut dem offiziellen Wahlergebnis war der Staatschef dabei mit rund 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Kritiker werfen Lukaschenko massiven Wahlbetrug vor. Auch die EU erkannte das Wahlergebnis nicht an. Ihr Außenbeauftragter Josep Borrell plädierte in einem Interview mit der spanischen Zeitung "El País" für Verhandlungen mit Lukaschenko, um eine "zweite Ukraine" zu vermeiden.

by Sergei GAPON