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Zehntausende bei bislang größter Kundgebung gegen belarussischen Präsidenten

Staatschef Lukaschenko ersucht in Moskau um Unterstützung

Eine Woche nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus hat die Opposition die bisher größte Protestkundgebung gegen Staatschef Alexander Lukaschenko auf die Beine gestellt. Zehntausende Demonstranten zogen am Sonntag in einem "Marsch der Freiheit" durch die Straßen von Minsk und forderten Lukaschenkos Rücktritt. Der Präsident versuchte bei einer Gegendemonstration, seine Anhänger zu mobilisieren. Zuvor hatte er in Moskau um Unterstützung ersucht.

Bei ihrem Marsch über den Unabhängigkeitsboulevard trugen die Oppositionsanhänger als Zeichen ihrer friedlichen Absichten weiße Kleidung, Blumen und Ballons. Mit "Geh!"-Rufen forderten sie Lukaschenkos Abgang.

Die Demonstranten trugen dabei eine 100 Meter lange rotweiße Fahne durch die Stadt. Die von Lukaschenko abgeschaffte Flagge der Nachwendezeit gilt als Symbol der Opposition in dem osteuropäischen Land. Zu den Unterstützern des Marsches gehörten auch bekannte Journalisten des Staatsfernsehens, Forscher, Geschäftsleute und der ehemalige Kulturminister Pawel Latuschko. Ein AFP-Reporter schätzte die Zahl der Teilnehmer auf bis zu 100.000.

Die Menschen folgten einem Aufruf der nach Litauen geflohenen Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die für das Wochenende zu großen landesweiten Protesten aufgerufen hatte. Sie kündigte die Gründung eines Komitees an, das einen Regierungswechsel in Belarus vorbereiten soll.

Auf dem Unabhängigkeitsplatz versammelte der seit 1994 mit harter Hand regierende Lukaschenko unterdessen tausende Menschen für eine Gegendemonstration. Lukaschenko hatte die Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag laut offiziellem Ergebnis mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen. Die Opposition wirft ihm Wahlbetrug vor.

"Die Wahlen waren gültig", sagte er am Sonntag. "Mehr als 80 Prozent der Stimmen können nicht gefälscht werden." Er werde das Land nicht der Opposition "aushändigen".

Bei der Ansprache, an der auch sein 15-jähriger Sohn und designierter Nachfolger Nikolai teilnahm, warnte er davor, den Forderungen benachbarter Nato-Länder und der Opposition nachzugeben. "Wir haben keine Freunde. Sie alle wollen, dass wir auf die Knie gehen", sagte er unter dem Jubel seiner Anhänger, welche die rotgrüne, aus der Sowjetzeit stammende offizielle Flagge schwenkten.

Die Sicherheitsbehörden waren in den vergangenen Tagen brutal gegen die Opposition vorgegangen. Tausende wurden festgenommen, zwei Demonstranten kamen zu Tode. Nach ihrer Freilassung berichteten zahlreiche Festgenommene von Misshandlungen und Folter in der Haft.

Der belarussische Botschafter in der Slowakei, Igor Lechtchenia, sagte in einem von der regierungskritischen Zeitung "Nasha Niva" veröffentlichten Video, er sei "schockiert über die Zeugenberichte zu Folter und Schlägen".

Angesichts der Polizeigewalt hatte die EU am Freitag neue Sanktionen gegen die Verantwortlichen in Minsk auf den Weg gebracht. Derzeit werde eine Liste von Namen angefertigt, gegen die sich die Strafmaßnahmen richten sollen, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) der "Bild am Sonntag". Damit wolle die EU "gezielt einzelne Personen bestrafen, die nachweislich an den Wahlmanipulationen und der Gewalt gegen Demonstranten beteiligt waren".

Lukaschenko setzt indes auf Unterstützung aus Russland. Bei einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin habe er vereinbart, dass "auf unsere erste Bitte hin umfassende Hilfe geleistet wird, um die Sicherheit von Belarus zu gewährleisten", sagte Lukaschenko laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Der Kreml erklärte seinerseits seine "Bereitschaft, die nötige Unterstützung zu leisten".

Vor der Wahl hatte Lukaschenko Russland noch vorgeworfen, es wolle Belarus zu einem Vasallenstaat machen und sich zugunsten seiner Gegner in den Urnengang einmischen.

by Sergei GAPON