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Zahl der Toten nach verheerenden Explosionen in Beirut steigt auf mindestens 100

Suche nach Überlebenden der gewaltigen Detonationen dauert an

Am Morgen nach den verheerenden Explosionen im Hafen von Beirut mit mindestens 100 Toten und tausenden Verletzten dauert die Suche nach Überlebenden an. Laut der jüngsten Bilanz des Roten Kreuzes am Mittwoch wurden mindestens 100 Menschen in der libanesischen Hauptstadt getötet und mehr als 4000 weitere verletzt. Unter den Verletzten waren auch Mitarbeiter der deutschen Botschaft.

Rettungskräfte durchkämmten die ganze Nacht hindurch die Trümmer auf der Suche nach Toten und Verletzten. Die Suche wurde durch den Stromausfall in weiten Teilen der Stadt behindert. Sicherheitskräfte riegelten die Explosionsstelle weiträumig ab und wiesen Bewohner, die zu ihren Häusern gelangen wollten, zurück.

Laut Ministerpräsident Hasan Diab waren am Dienstag 2750 Tonnen beschlagnahmtes Ammoniumnitrat detoniert. Das Material sei seit sechs Jahren ohne Vorsichtsmaßnahmen in einem Lagerhaus untergebracht gewesen. Diab kündigte an, die Verantwortlichen würden "zur Rechenschaft" gezogen. Weshalb das Ammoniumnitrat explodierte, war jedoch völlig unklar. Die Substanz kann zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden.

US-Präsident Donald Trump sprach von einem "furchtbaren Angriff" mit einer "Art von Bombe". Er berief sich dabei auf Angaben von US-Generälen. Weder vom Pentagon noch den libanesischen Behörden kamen jedoch irgendwelche öffentlichen Hinweise darauf, dass es sich um einen Anschlag gehandelt haben könnte.

Die zweite der beiden Explosionen war besonders gewaltig. Sie sandte einen riesigen orangefarbenen Feuerball in den Himmel. Darauf folgte eine Schockwelle von der Wucht eines Tornados, die Gebäude im Hafen niederriss, Autos umkippte und Fensterscheiben in der ganzen Stadt bersten ließ. Die Detonationen waren im gesamten Land zu hören - und auch im 240 Kilometer entfernten Nikosia auf der Mittelmeerinsel Zypern.

Große Teile des Hafens und der umliegenden Stadtgebiete wurden verwüstet. Auf Bildern waren unter Trümmern eingeklemmte Menschen zu sehen. Blutüberströmte Menschen torkelten durch die Straßen.

Die ohnehin schon durch die Corona-Pandemie überlasteten Krankenhäuser der Stadt waren durch die Einlieferungen der zahlreichen Verletzten komplett überfordert. "Es ist eine Katastrophe im wahrsten Sinne des Wortes", sagte Gesundheitsminister Hamad Hassan beim Besuch eines Hospitals. Der Oberste Verteidigungsrat des Landes erklärte die Stadt zur "Katastrophenzone".

Auch das Gebäude, in dem sich die deutsche Botschaft befindet, wurde nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin beschädigt. Angesichts der starken Schäden im Stadtgebiet schloss das Ministerium nicht aus, dass weitere deutsche Staatsangehörige unter den Todesopfern und Verletzten sein könnten.

Beschädigt wurde zudem ein Schiff der Vereinten Nationen: Blauhelmsoldaten der UN-Mission im Libanon (Unifil) seien verletzt worden, einige von ihnen schwer, hieß es in einer UN-Erklärung. Deutsche Soldaten waren laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums nicht betroffen.

Im Hafen waren Container verbogen wie Konservendosen, ihr Inhalt auf dem Boden zerstreut. Schiffe standen in Flammen, zahlreiche Autos brannten aus. In den umliegenden Straßenzügen wurden Fensterscheiben und Schaufenster zertrümmert. Über der gesamten Hafengegend lag eine riesige Rauchwolke.

"Es war wie eine Atombombe", berichtete Makruhie Jerganian, die seit Jahrzehnten nahe des Hafens wohnt. "Ich habe vieles erlebt, aber so etwas noch nie", sagte die pensionierte Lehrerin, die auch den Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 in dem arabischen Land miterlebte.

Staatschef Michel Aoun rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Regierungschef Diab bat in einer Fernsehansprache alle befreundeten Staaten um Hilfe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte dem Libanon Unterstützung zu. Hilfszusagen kamen bereits aus aller Welt, darunter auch von Israel und dem Iran.

Frankreich brachte am Mittwoch die ersten Hilfen auf den Weg. Wie der Elysée-Palast mitteilte, sollen bereits am Nachmittag zwei Flugzeuge der Armee mit 55 Rettungskräften, tonnenweise medizinischer Ausrüstung und einer mobilen Krankenstation in Beirut eintreffen.

by Von Bachir El Khoury und Rouba El Husseini