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Zahl der Todesopfer durch Unwetter in NRW und Rheinland-Pfalz steigt auf 59

Deutlich mehr Tote als bei Jahrhundertflut 2002 - Weiterhin viele Vermisste

Bei einer der größten Unwetterkatastrophen der Nachkriegszeit in Deutschland sind in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz insgesamt mindestens 59 Menschen ums Leben gekommen. Zudem galten weitere Menschen am Donnerstagabend weiterhin als vermisst. Da an vielen Orten das Strom- und Telefonnetz ausfiel und Rettungseinsätze noch liefen, blieb die Lage unübersichtlich. Mehrere Kreise in der Eifel riefen Katastrophenalarm aus.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) teilte am Abend mit, dass neun weitere Leichen geborgen worden seien. Bei ihnen handelte es sich offenbar um Bewohner einer Behinderteneinrichtung in Sinzig im Kreis Ahrweiler. Die Menschen hätten sich nicht retten können, als der Pegel der Ahr in der Vornacht dramatisch anstieg, berichtete das Nachrichtenportal "t-online".

Der Raum Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde von der Unwetterkatastrophe besonders hart getroffen. Dort wurden bis zum Donnerstagabend insgesamt 28 Tote gezählt. Das Ahrtal galt als von der Außenwelt abgeschnitten. Die Gegend sei über keine Zufahrtsstraße mehr zu erreichen, teilte die Polizei mit.

Schlimm heimgesucht wurde auch der Kreis Euskirchen in Nordrhein-Westfalen. Dort kamen nach Angaben der Polizei vom Nachmittag mindestens 15 Menschen ums Leben. Insgesamt lag die Zahl der Todesopfer in NRW bis zum späten Donnerstagnachmittag bei 31. Außer den 15 Verstorbenen im Bereich Euskirchen kamen Menschen in Rheinbach, Köln, im Kreis Unna, in Altena, in Geilenkirchen und in Solingen ums Leben.

Die Zahl der Toten in den zwei Bundesländern lag damit noch während der laufenden Rettungsmaßnahmen bereits mehr als doppelt so hoch wie beim sogenannten Jahrhunderthochwasser im Jahr 2002, bei dem in Deutschland 21 Menschen starben. Angesichts der vielen Vermissten könnte die Zahl der Todesopfer zudem noch steigen. Auch im benachbarten Belgien kamen mindestens neun Menschen durch das Unwetter ums Leben.

Zahlreiche Menschen flüchteten vor den Fluten auf die Dächer ihrer Häuser. Die Polizei setzte Hubschrauber ein, um die Menschen an Seilwinden von den Dächern zu retten. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums waren 15.000 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen und Bundeswehr vor Ort. Rund 500 Bundeswehrsoldaten leisteten Amtshilfe in sechs Landkreisen der beiden Bundesländer, wie ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums den Funke-Zeitungen sagte.

Im besonders stark betroffenen Ort Schuld im Landkreis Ahrweiler in der Eifel wurden einem Polizeisprecher zufolge vier Häuser komplett von den Fluten weggespült. Zwei weitere Häuser seien zur Hälfte weggespült, andere Gebäude in dem kleinen Ort "erheblich" beschädigt worden.

Mehrere Menschen starben in überfluteten Kellern. In Nordrhein-Westfalen kamen zwei Feuerwehrmänner im Einsatz in Altena und Werdohl ums Leben. In Altena war die Feuerwehr am Mittwochabend im Einsatz, um einen ins Wasser geratenen Mann zu retten. Dabei fiel ein 46-jähriger Feuerwehrmann selbst ins Wasser und wurde abgetrieben, er wurde kurze Zeit später tot geborgen.

Der wirtschaftliche Schaden des Unwetters ließ sich noch nicht beziffern. Da eine ganze Reihe von Straßen und Brücken und auch Bahnlinien betroffen waren, dazu zahlreiche Häuser und auch Handwerksbetriebe zerstört wurden, dürften auch die wirtschaftlichen Auswirkungen massiv sein.

Grünen-Chef Robert Habeck forderte die Auflage eines Hilfsfonds für die Opfer der Unwetterkatastrophe. "Ich fände es richtig, wenn wir jetzt sehr schnell einen Hilfsfonds auflegen, wie es 2013 auch nach dem großen Elbhochwasser der Fall war", sagte Habeck der Zeitung "Die Welt".

by Bernd Lauter