Nach der Annahme des Berliner Volksentscheids zur Enteignung großer Wohnkonzerne hat der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen ein "Bündnis für Neubau und Wohnen" vorgeschlagen. Auch der Immobilienkonzern Vonovia plädiert dafür, "alle relevanten Interessengruppen" zusammenbringen, um "echte Lösungen" zu entwickeln. Der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher vom DIW forderte den Neubau von jährlich 30.000 Wohnungen in der Hauptstadt.
Eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner hatte am Sonntag für den Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" gestimmt. 56,4 Prozent votierten dafür und 39,0 Prozent dagegen, auch das Mindestquorum wurde erreicht - damit gilt der Volksentscheid als angenommen. Ziel der Bürgerinitiative ist die Vergesellschaftung von Wohnungen der großen Immobilienkonzerne in Berlin - also etwa von Vonovia.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen geht allerdings davon aus, dass letztlich "nur eine Minderheit tatsächlich für eine Umsetzung einer Enteignung" ist, wie Vorstandsmitglied Maren Kern den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Dienstag sagte. Sie verwies dabei auf Umfragen, wonach die Wählerinnen und Wähler bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hätten, dass die Umsetzung des Entscheids nicht bindend ist.
Da nicht über ein konkretes Gesetz oder eine Verfassungsänderung abgestimmt wurde, bedeutet das Ergebnis keine rechtliche Verpflichtung für den neuen Senat. Dieser muss also nicht ein entsprechendes Gesetz zur Enteignung ausarbeiten.
Franziska Giffey (SPD), Siegerin der Wahl zum Abgeordnetenhaus, hatte am Montag zwar eine ernsthafte Prüfung zugesagt - gleichzeitig aber Zweifel an der Umsetzbarkeit geäußert. "Wenn das nicht verfassungskonform ist, können wir es auch nicht machen", sagte sie.
Dies denken offenbar auch Unternehmen und Anleger - der schwedische Wohnungskonzern Heimstaden meldete am Sonntag den Kauf von 14.000 Wohnungen in Berlin, der Aktienkurs des Wohnungskonzerns Vonovia stieg am Montag an der Frankfurter Börse um über vier Prozent. Vonovia ist dabei, die Deutsche Wohnen zu übernehmen und hat sich die Mehrheit der Anteile mittlerweile gesichert.
Der Konzern betonte in einer "ersten Reaktion" auf das Wahlergebnis am Montag, der Volksentscheid sei nicht bindend; ein konkretes Gesetz würde juristisch angefochten. Und während des "wahrscheinlich langen juristischen Prozesses würde die Umsetzung ausgesetzt".
Vonovia erklärte aber zudem, dass der Erfolg des Referendums "ein weiteres Zeichen" dafür sei, dass sich die Lage auf dem Berliner Mietmarkt "dringend" ändern müsse. Nötig sei "Kooperation statt Konfrontation". Die neue Berliner Regierung sollte alle relevanten Interessengruppen zusammenbringen, um "echte Lösungen" für die in der Stadt Lebenden und für Zuziehende zu entwickeln.
Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, größere Enteignungen dürften rechtlich nicht zulässig sein "und somit gar keine Chance auf Umsetzung haben". Die neue Berliner Regierung sollte dies den Berlinerinnen und Berlinern so schnell wie möglich erklären und "einen überzeugenden Plan für den Wohnungsbau in Berlin vorlegen". Die Stadt benötige dringend einen ambitionierten Plan, wie jedes Jahr 30.000 neue Wohnungen entstehen können, um den Druck aus dem Wohnungsmarkt zu nehmen.
by John MACDOUGALL