Die Wirtschaftweise Veronika Grimm hat sich für eine automatische Anhebung des Renteneintrittsalters bei weiter steigender Lebenserwartung ausgesprochen. "Man sollte die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt an die Lebenserwartung koppeln", sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben). "Es ist fraglos notwendig, das gesetzliche Rentenalter weiter anzuheben."
Die Idee für eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung brachte jüngst die CDU ins Gespräch. Die Partei erarbeitet gerade ein neues Grundsatzprogramm. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnte die Überlegungen hingegen strikt ab. "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es jetzt nicht mehr nötig haben, das Renteneintrittsalter immer weiter anzuheben", sagte er kürzlich bei einem Dialogveranstaltung mit Bürgerinnen und Bürgern in Erfurt.
Grimm sagte mit Blick auf die aktuelle Gesetzeslage, wonach die Altersgrenze für die Regelaltersrente ohne Abschläge in Deutschland bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben wird, dabei könne es "nicht bleiben". Eine "Formel für die Zukunft" könne ihrer Auffassung nach etwa folgendermaßen aussehen: "Nimmt die Lebenserwartung um ein Jahr zu, so würden zwei Drittel des zusätzlichen Jahres der Erwerbsarbeit zugeschlagen und ein Drittel dem Ruhestand."
Grimm beklagte außerdem eine zunehmende Zahl von Frühverrentungen. Um den Fachkräftemangel in Deutschland zu bekämpfen, müsse die Erwerbsbeteiligung auch bei Älteren steigen. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen länger arbeiten wollen und auch können, dass also das tatsächliche Rentenalter steigt", sagte sie. "Der Trend zur Frühverrentung darf sich nicht fortsetzen."
Grimm ist eines von fünf Mitgliedern im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Politik in grundsätzlichen ökonomischen Fragen berät. Das 1963 eingerichtete Gremium ist unabhängig und liefert unter anderem Jahres- und Sondergutachten sowie Konjunkturprognosen.
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