Vertreter der deutschen Wirtschaft haben mit Blick auf den Lateinamerika-Gipfel der EU den raschen Abschluss der Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten sowie mit Mexiko und Chile gefordert. "Die EU muss das Zeitfenster für einen engen wirtschaftlichen Schulterschluss mit Lateinamerika unbedingt nutzen", erklärte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie -und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, am Montag. "Andere Wirtschaftsmächte wie zum Beispiel China buhlen bereits um die Gunst Lateinamerikas."
Für die drei jeweils jahre- bis jahrzehntelang verhandelten Abkommen liegen grundsätzliche Einigungen vor, im Fall von Mexiko seit April 2018. Im Juni 2019 folgte das Mercosur-Abkommen mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Im Dezember 2022 wurden auch die Verhandlungen mit Chile beendet. In allen drei Fällen steht die Ratifizierung des Textes jedoch noch aus.
"Diese Handelsabkommen können wichtige Wachstumsimpulse geben und die dringend benötigte Diversifizierung der Lieferketten der Wirtschaft - insbesondere mit dem Blick auf die Rohstoff- und Energieversorgung - entscheidend voranbringen", erklärte Treier. "Gleichzeitig wäre ein wechselseitig verbesserter Zugang insbesondere zu wichtigen Branchenmärkten wie Maschinenbau, Automobil- sowie der Ernährungsindustrie auch für die deutsche Exportwirtschaft von großer Bedeutung."
Im Fall des Abkommen mit der Freihandelszone Mercosur, die 67 Prozent der Wirtschaftsleistung Südamerikas abdeckt, gab es in Europa erhebliche Bedenken zur Umweltpolitik des von 2019 bis 2022 amtierenden rechtsextremen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Infolge der Übernahme der Präsidentschaft durch den linksgerichteten Luiz Inácio Lula da Silva im Januar 2023 waren die Gespräche über das Abkommen wieder aufgenommen worden.
Dennoch setzten die EU-Staaten im Rahmen des Ratifizierungsprozesses ein Zusatzdokument zu dem Abkommen mit Umweltanforderungen auf. Argentinien und Brasilien kritisierten dies scharf.
Der Vorsitzende im Außenhandelsausschuss des EU-Parlaments, Bernd Lange (SPD), warnte vor einer europäischen "Zeigefinger-Mentalität" gegenüber Brasilien. "Die europäische Attitüde 'Wir sagen, wo es lang geht' ist eine Attitüde der Vergangenheit", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Es brauche mehr Verständnis für die Probleme Südamerikas, um das Abkommen endlich zum Abschluss zu bringen.
In Brüssel findet am Montag und Dienstag erstmals seit acht Jahren ein Gipfeltreffen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) statt, der auch alle Mercosur-Staaten sowie Mexiko und Chile angehören.
pe/ilo