Grüne, FDP und Linkspartei haben am Donnerstag offiziell einen Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal beantragt. "Der Untersuchungsauftrag kommt", sagte der finanzpolitische FDP-Sprecher Florian Toncar bei der Vorstellung des gemeinsamen Antrags in Berlin. Der Ausschuss werde "ohne Störmanöver der Koalition" im Oktober beginnen können. Auf Zeugen, die dann ab November angehört werden könnten, einigten sich die Oppositionsparteien noch nicht.
Die drei Oppositionsfraktionen haben zusammen mehr als ein Viertel der Stimmen im Bundestag - das reicht, um die Einsetzung des U-Ausschusses auch ohne die Bundesregierung und die AfD zu beschließen. Toncar schloss am Donnerstag allerdings nicht aus, dass auch die Regierungskoalition "in Betracht zieht, doch mitzustimmen".
Der Ausschuss bezeichnete der FDP-Politiker als "zwingend", da der Wirecard-Skandal "unter dem Radar sämtlicher Schutzsysteme" abgelaufen sei und es "klare Hinweise auf Fehlverhalten" bei der Regierung und anderen verantwortlichen Instanzen gebe.
Diesen möglichen Fehlern wollen die drei Oppositionsparteien nun gemeinsam nachgehen: Dabei soll die Rolle von Ministerien und Kanzleramt ebenso beleuchtet werden wie die Arbeit der staatlichen Finanzaufsicht Bafin, der zuständigen Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern sowie der Wirtschaftsprüfer.
Über mögliche Zeugen wollen die Parteien noch entscheiden. Ihre Finanzpolitiker brachten am Donnerstag neben Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und seinem Staatssekretär Jörg Kukies auch schon beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) sowie Wirecard-Verantwortliche bis hin zu Ex-Chef Markus Braun ins Gespräch.
Doch "für uns ist erstmal relevant, die entscheidenden Dokumente zu sehen, damit wir auch die entscheidenden Fragen stellen können", sagte der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, Fabio de Masi. "In der Problemanalyse sind wir, glaube ich, bisher eng beieinander."
Neben einer Neuaufstellung der Finanzaufsicht forderten die Politiker insbesondere Klarheit über die Rolle des Kanzleramts, das auch noch nach Hinweisen auf Unrechtmäßigkeiten im Ausland für Wirecard "lobbyiert" habe. Die Bundesregierung habe ihre Gelegenheit zur Aufklärung nicht genutzt, kritisierte der Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz. CDU und SPD hätten den Fokus bislang auf die Wirtschaftsprüfer und Finanzaufsicht gelenkt und jeweils "ihren eigenen Minister schützen" wollen. "Jeder zeigt mit dem Finger auf jemand anders", sagte Bayaz.
Wirecard, inzwischen insolvent, soll jahrelang seine Bilanzen gefälscht haben. Insgesamt 1,9 Milliarden Euro, die auf Konten in Asien liegen sollen, sind nicht auffindbar. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Ex-Chef Braun wurde verhaftet, der frühere Finanzchef Jan Marsalek befindet sich auf der Flucht.
by Christof STACHE