Der milliardenschwere Twitter-Gründer Jack Dorsey verhält sich nicht so, als hätte er alles Geld der Welt, das er jemals brauchen könnte. Er trinkt keinen Spitzenschnaps und speist nicht in den besten Restaurants. Vielmehr hat er sich einer extremen Form der Selbstverleugnung verschrieben, die, gelinde gesagt, rätselhaft ist. Und er ist nicht der einzige Unternehmer aus dem Silicon Valley, der diese Praxis anwendet. Dorsey isst unter der Woche nur eine Mahlzeit pro Tag. Am Wochenende isst er überhaupt nichts. Er beginnt jeden Tag mit einem Eisbad. Und egal wie das Wetter ist, er läuft die fünf Meilen von seinem Haus zu seinem Büro. Das ist im Grunde der Lebensstil eines Mönchs, und wir fragen uns alle: Warum?
Dorseys Gewohnheiten sind eine Form der antiken griechischen und römischen Philosophie des Stoizismus, die besagt, dass man mit seinem Schicksal zufrieden sein und sich schöne Dinge versagen sollte - wie warme Bäder und Essen am Wochenende. Das klingt nach einer Modeerscheinung und völligem Unsinn, doch nicht nur Dorsey, sondern auch andere aus der Silicon-Valley-Elite bekennen sich zu diesem Lebensstil im Namen der Wellness. Zu ihnen gehört der Digg-Mitbegründer Kevin Rose, der die Theorie in seinem Leben anwendet, indem er kalt duscht, keinen Wintermantel trägt und Plattitüden von sich gibt wie:
"Ich versuche, mich der Erde hinzugeben, während sich alles um mich herum entfaltet, und es nicht zu beurteilen, sondern die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind."
O...K...
Phil Libin, ehemaliger CEO von Evernote und derzeitiger CEO der KI-Firma All Turtles, fastet regelmäßig mehr als eine Woche lang, d. h. er verzichtet vollständig auf Nahrung. Auf diese Weise hat er fast 90 Pfund abgenommen.
Tim Ferriss ist der Mann, der den Stoizismus ins Silicon Valley gebracht hat. Er nennt es "ein ideales Betriebssystem für das Gedeihen in stressigen Umgebungen"
Ich habe den Eindruck, dass ständiger Hunger zu Rücksichtslosigkeit und Geiz führt, aber was weiß ich schon? Diese Denkweise scheint einer Essstörung gefährlich nahe zu kommen. Das wirft die Frage auf, was diese Tech-CEOs und -Gründer zu kontrollieren versuchen. Warum können sie sich nicht zurücklehnen und die Vorzüge ihres Reichtums genießen?
Stoizismus ist nicht der erste seltsame Wellness-Trend, der im Silicon Valley Einzug gehalten hat. Auch Soylent und Mikrodosierung sind dort in aller Munde. Aber diese beiden Trends haben mehr mit Wissenschaft und Technologie zu tun, auf eine Art von Fanboy-Art. Der Stoizismus fordert seine Anhänger auf, auf das Köstliche, das Glitzernde, das Flauschige zu verzichten. Er fordert seine Anhänger auf, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Er ist im Grunde genommen ein umgekehrter Elitismus. Womit wir wieder bei unserer ursprünglichen Frage wären: Warum hungern sich die Tech-Milliardäre eigentlich selbst aus?
