Samsungs milliardenschwerer stellvertretender Vorstandsvorsitzender Jay Y. Lee (Lee Jae-yong) streitet sich noch immer vor Gericht mit der südkoreanischen Staatsanwaltschaft über Bestechungs- und Korruptionsvorwürfe, die bis ins Jahr 2015 zurückreichen. In dem aktuellen Fall geht es darum, ob Lee und Samsung illegale Mittel eingesetzt haben, um ihm zu helfen, die Kontrolle über das von seinem Großvater gegründete Unternehmen zu übernehmen. Lee könnte erneut ins Gefängnis geschickt werden. Er verbrachte bereits ein Jahr im Gefängnis für Verbrechen, die zum Sturz des südkoreanischen Präsidenten beigetragen haben. Lee ist seit dem Herzinfarkt seines Vaters Lee Kun-hee im Jahr 2014 de facto der Chef des Familienkonglomerats. Berichten zufolge liegt der ältere Lee seither im Koma. Und genau da wird es kompliziert. Südkorea hat eine der höchsten Erbschaftssteuern der Welt: 50 % Steuern auf Nachlässe im Wert von mehr als 2,5 Millionen Dollar. Lee Kun-hee hat ein Nettovermögen von 16 Milliarden Dollar.
Der jüngere Lee wurde Anfang 2017 unter dem Vorwurf der Bestechung und Korruption angeklagt. In dem Verfahren gegen ihn wurde behauptet, dass Samsung 36 Millionen Dollar an Bestechungsgelder an Unternehmen gezahlt hat, die von Choi Soon-sil, einer Freundin der inzwischen angeklagten südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye, geleitet werden. Die Zahlung sollte die Unterstützung der Regierung für eine Fusion zweier Samsung-Tochtergesellschaften im Jahr 2015 sicherstellen. Lee wurde ursprünglich zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, wurde aber nach einem Monat aus der Haft entlassen und seine Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das war noch nicht das Ende seines Rechtsstreits. Im August 2019 hob der Oberste Gerichtshof von Südkorea die Aussetzung von Lees Strafe durch die untere Instanz auf und ordnete eine Neuverhandlung des gesamten Falls an.
Die neue Anhörung hat sich verzögert, weil die Staatsanwaltschaft glaubt, dass ein Richter in dem Fall voreingenommen ist und Lee schonen wird. Der Oberste Gerichtshof Südkoreas muss nun entscheiden, ob dieser Richter ersetzt wird oder weiter im Amt bleibt, was die Urteilsverkündung verzögern und den Prozess bis ins nächste Jahr hineinziehen könnte. Die Staatsanwälte beantragen außerdem einen Haftbefehl, um Lee während des Verfahrens zurück ins Gefängnis zu schicken. Die Staatsanwaltschaft beantragte diesen Haftbefehl nur wenige Tage, nachdem Lee um eine öffentliche Bewertung der Stichhaltigkeit seiner Anklageschrift gebeten hatte. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, könnte Lee professionelle Staatsanwälte umgehen, indem er sich an einen Prüfungsausschuss wendet, der sich aus externen Experten zusammensetzt.
Ein weiteres juristisches Problem für Lee ist die Untersuchung der Fusion zwischen zwei Einheiten der Samsung-Gruppe im Jahr 2015. Die südkoreanische Finanzaufsichtsbehörde stellte fest, dass Samsung Biologics Co. vorsätzlich und absichtlich gegen die Rechnungslegungsvorschriften verstoßen hat, als es seinen Wert vor dem Börsengang aufblähte.
Insgesamt ist Samsung von den jahrelangen Gerichtsverfahren, die sich um Lee ranken, nicht betroffen. Sollte er jedoch wieder ins Gefängnis gehen, wird es für die Führungskräfte von Samsung schwieriger sein, wichtige Entscheidungen zu treffen, z.B. über Fusionen und Übernahmen oder darüber, ob große Investitionen getätigt werden sollen oder nicht.
