Dass das Schaffen von Werner Herzog (78, "Aguirre, der Zorn Gottes") kaum eine Grenze kennt, beweist der gebürtige Münchner seit bald 60 Jahren im Filmbusiness. Kunstkino mit seinem einst liebsten Feind, Klaus Kinski, existentialistische Dokumentationen wie sein neuestes Werk "Fireball", ein Gastauftritt im Inbegriff des Popkultur-Kommerzes alias "Star Wars", ja selbst seinen eigenen Schuh verputzte er schon unter großer medialer Aufmerksamkeit.
Ob sein jüngster Ruhm aus "The Mandalorian" dafür verantwortlich ist, dass "die weitaus größte Zahl an Mails, die ich heute bekomme, (...) von 15-Jährigen" stammt, kann Herzog im Gespräch mit "Welt am Sonntag" nicht sicher sagen. Generell werde seine Schauspieleinlage in der Serie bei Disney+ "gerne etwas überbewertet". Aber: Die Jugend von heute scheint sich jedenfalls sehr mit den Werken - auch den Frühwerken - von Herzog identifizieren zu können, an die über das Internet inzwischen leicht heranzukommen ist.
Dass die Entwicklung hin zum Streaming durch die Corona-Pandemie beschleunigt wurde, steht für Herzog außer Frage. Dennoch ist er fest davon überzeugt, "dass Kinos, Theater- wie auch Konzertsäle weiterhin Bestand haben werden. Da habe ich keine Angst". Mit einer Einschränkung: "Das Einzige, was mich in diesem Zusammenhang alarmiert, ist, wenn sich viele junge Leute Filme auf ihrem Handy in doppelter Geschwindigkeit anschauen. Das ist wohl eine Reaktion auf all die unendlichen, langweiligen Stunden, die sie oft auf YouTube verbringen."
Ein sicherer Umbruch steht derweil bei der Oscar-Academy an. Mit einem ganzen Regel-Katalog soll dort künftig sichergestellt werden, dass in allen Bereichen des Films mehr Diversität herrscht. Herzog, selbst Mitglied der Academy, sieht darin viel Licht und ebenso viel Schatten. "Was die Neuaufnahme von Mitgliedern in die Academy betrifft, gab es zuletzt dramatische Veränderungen - um mehr Frauen, Afroamerikaner, Latinos und Minderheiten aufzunehmen. Ich finde das gut."
Gleichzeitig kritisiert er die Diversity-Regeln, die ab 2021 speziell die Kategorie für den "Besten Film" betreffen. "Da überschlägt sich das dann wieder. Da wird es dann ganz besonders bürokratisch und politisch korrekt. Aber das sind so Übergangsphasen. Die sind schrecklich. Wenn man sich den Anforderungskatalog für diese Regeln anschaut, da wird einem ganz schwindelig." Er sei sich jedoch sicher, dass sich das alles früher oder später auf ein gesundes Maß einpendeln werde.