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Weniger antisemitische Straftaten in Nordrhein-Westfalen verzeichnet

Die Zahl dokumentierter antisemitischer Straftaten ist in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr gesunken. Das Ausmaß an Hass und Gewalt der Straftaten scheine aber eher zuzunehmen, erklärte die Antisemitismusbeauftragte des Landes, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bei der Vorstellung des Jahresberichts am Donnerstag in Düsseldorf. Der Großteil der Straftaten wird laut Bericht dem Rechtsextremismus zugeordnet.

Insgesamt wurden 331 antisemitische Straftaten dokumentiert, 287 davon waren rechtsextrem motiviert. 2021 waren in Nordrhein-Westfalen 437 antisemitische Straftaten erfasst worden. Leutheusser-Schnarrenberger forderte, dass auch Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze in den Blick genommen werden müssten. Ein wichtiger Faktor dabei sei Hetze im Internet. "Denn durch Taten oder Aussagen, welche nicht in den Strafbarkeitsbereich fallen, wird der Weg für schwerwiegendere und gewalttätige Fälle bereitet oder auch normalisiert."

Die Antisemitismusbeauftragte wies darauf hin, dass Antisemitismus gezielt eingesetzt werde. Sie erinnerte an die von Russland verwendeten Narrative zur Rechtsfertigung des Ukraine-Kriegs. "Nur wenn wir die Ausprägungen kennen, können wir auch zielgerichtet Präventionsarbeit leisten", erklärte sie.

Im vergangenen Jahr hätten in Nordrhein-Westfalen sowohl die Meldestelle Antisemitismus ihre Arbeit aufgenommen als auch 22 Antisemitismusbeauftragte bei den Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften. Dies seien "strukturelle Verbesserungen" und ein "wichtiges Zeichen an die Jüdinnen und Juden in Nordrhein-Westfalen". Leutheusser-Schnarrenberger erwartet, dass ihre Arbeit zur "Erhellung des Dunkelfelds" beitragen wird.

Sie kritisierte die Verantwortlichen der Kasseler Kunstausstellung Documenta, bei denen es "zu oft an frühzeitigen klaren Distanzierungen und Haltung gefehlt" haben. Bei der Documenta waren als antisemitisch eingestufte Kunstwerke ausgestellt, die Generaldirektorin der Kunstausstellung legte deswegen ihre Arbeit nieder.

Leutheusser-Schnarrenberger forderte, dass die "über die Kunstfreiheit und ihre Grenzen angestoßene Debatte" kritisch und offen geführt werden solle. Vor allem der Umgang mit Unterstützern der sogenannten BDS-Bewegung und mit jüdischen Kulturschaffenden solle untersucht und hinterfragt werden. Bei der BDS-Bewegung handelt es sich um eine antiisraelische Boykottinitiative.

Laut Leutheusser-Schnarrenberger wird die Notwendigkeit für eine solche Debatte gerade in den Diskussionen über den Auftritt von Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters in Köln sichtbar. Verbote für Auftritte in öffentlichen Einrichtungen seien schwierig, erklärte sie. "Die Zivilgesellschaft ist hier gefordert, Haltung zu zeigen – in Köln ist dies mit Diskussionsveranstaltungen und Demonstrationen gut gelungen."

Vor dem Konzert in Köln hatten sich viele Vertreter aus Zivilgesellschaft und Politik gegen Waters' Auftritt ausgesprochen. Ihm wird seit langer Zeit Antisemitismus vorgeworfen. Die Stadt Frankfurt am Main scheiterte vor Gericht mit dem Versuch, sein Konzert abzusagen. Die Stadt München dachte ebenfalls über eine Absage nach, sah aber nach rechtlicher Prüfung keine Möglichkeit dafür.

smb/cfm