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Weitere Turbulenzen um den Impfstoff von Astrazeneca

Medien: Bundesregierung rechnet mit Zulassung nur für unter 65-Jährige

Wenige Tage vor der erwarteten Entscheidung über seine Zulassung in der EU gehen die Turbulenzen um den Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca weiter. Zusätzlich zu den von Astrazeneca angekündigten Lieferverzögerungen sorgen Medienberichte für Aufregung, dass die EU den Impfstoff nur für Menschen unter 65 Jahren zulassen könnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief unterdessen zu einer gerechten internationalen Verteilung von Impfstoffen auf.

Die "Bild"-Zeitung meldete in ihrer Dienstagausgabe unter Berufung auf interne Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern, dass die Bundesregierung bereits mit Alters-Einschränkungen bei der Zulassung des Astrazeneca-Impfstoffs rechne. Laut "Handelsblatt" prüft das Gesundheitsministerium bereits, ob die nach Alter gestaffelte Impfreihenfolge angepasst werden muss. Als Grund gaben beide Blätter eine extrem niedrige Wirksamkeit des Impfstoffs bei Menschen über 65 Jahren an.

Das Bundesgesundheitsministerium wies zur Wirksamkeit genannte Zahlen zurück und sprach von einer möglichen Verwechslung. Aus den genannten Daten lasse sich keine geringe Wirksamkeit bei Älteren herleiten, hieß es. Bekannt sei aber "seit dem Herbst, dass in den ersten eingereichten Studien von Astrazeneca weniger Ältere beteiligt waren als bei den Studien anderer Hersteller".

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte, die Entscheidung der Zulassungsbehörden abzuwarten. Sollte es Altersbeschränkungen geben, könne die deutsche Impfstrategie angepasst werden. "Wir haben in jeder Altersgruppe Menschen mit Vorerkrankungen, Menschen, die dringend auch eine Impfung für sich erhoffen", sagte er im ZDF. Deshalb werde der Impfstoff "in jedem Fall" gebraucht.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte die Hersteller von Corona-Impfstoffen erneut dazu auf, ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Europa habe "Milliarden investiert, um die Entwicklung der weltweit ersten Covid-19-Impfstoffe zu unterstützen", sagte von der Leyen in ihrer per Video übertragenen Rede beim Weltwirtschaftsforum. "Und jetzt müssen die Firmen liefern, sie müssen ihre Verpflichtungen einhalten."

Von der Leyen bekräftigte, dass die Kommission einen "Transparenzmechanismus für den Export von Impfstoff" in Länder außerhalb der EU plant. Nach Angaben eines Kommissionssprechers handelt es sich dabei nicht um eine Exportverbot; vielmehr gehe es "darum zu wissen, was die Unternehmen auf Märkte außerhalb der EU exportieren", sagte er.

In Brüssel gibt es den Verdacht, dass Astrazeneca andere Länder wie Großbritannien außerhalb der EU mit ungekürzten Mengen des Impfstoffs beliefert. "Wir sehen, dass Dosen anderswohin geliefert werden", sagte der Kommissionssprecher. Da die EU Vorauszahlungen für die Produktion geleistet habe, "sollten diese Dosen eigentlich für die Lieferung verfügbar sein", sobald die EMA grünes Licht gebe.

Astrazeneca konnte bei zwei Treffen mit der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten am Montag Brüssel zufolge nicht ausreichend erklären, wie es zu den Lieferengpässen gekommen ist. Laut Kommission ist für Mittwoch nun ein weiteres Treffen mit dem Unternehmen angesetzt.

Merkel mahnte bei dem virtuellen Weltwirtschaftsforum generell eine "faire Verteilung" der Impfstoffe an, besonders "in Zeiten der Knappheit". Sie betonte dabei ihre Unterstützung für die internationale Covax-Initiative, um auch ärmere Länder mit Impfstoff zu versorgen. Die Frage, wer welchen Impfstoff wann bekomme und wo in der Not geholfen werde, werde "auch neue Verbundenheit und neue Erinnerungen schaffen", sagte sie.

Generell sei ein multilateraler Ansatz auch bei der Bekämpfung der Pandemie wichtig, hob die Kanzlerin hervor. Gerade Fehler, die hierbei zu Beginn gemacht worden seien, hätten gezeigt, "dass Abschottung uns nicht helfen wird, die Probleme zu lösen".

by Ben STANSALL