Kurz vor den Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Länderchefs am Mittwoch über die Corona-Lage ist weiter heftig über die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus gestritten worden. Im Mittelpunkt der Debatte stehen die Beherbergungsverbote für Reisende innerhalb Deutschlands sowie die Uneinheitlichkeit der von den einzelnen Bundesländern erlassenen Vorschriften.
In die Kritik mehrerer Ministerpräsidenten an den Beherbergungsverboten für Reisende, die sich aus einem Corona-Risikogebiet in andere Bundesländer begeben, stimmten auch prominente Vertreter der Ärzteschaft ein. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, forderte die Rücknahme dieser von einigen Bundesländern erlassenen Verbote.
Diese seien "überflüssig und sogar schädlich", sagte Reinhardt der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). Selbst während des starken innerdeutschen Reiseverkehrs im Sommer mit vollen Stränden an Nord- und Ostsee habe es keine "bedeutsame Steigerung des Infektionsgeschehens" gegeben. Die Menschen seien durch die unterschiedlichen und schlecht kommunizierten Maßnahmen verunsichert und verwirrt. "Das trägt sicher nicht zu mehr Akzeptanz der Anti-Corona-Politik von Bund und Ländern bei", warnte der Ärztepräsident.
Ähnlich äußerte sich der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen: "Jeder kann erkennen, dass ständig neue Maßnahmen wie das Beherbergungsverbot Unsinn sind", sagte er der "Bild"-Zeitung. "So verspielen wir die unbedingt notwendige Akzeptanz für die weiterhin wichtigen Maßnahmen."
Bei den Beratungen am Mittwochnachmittag (ab 14.00 Uhr) wollen die Spitzen von Bund und Ländern den Versuch unternehmen, sich auf einheitlichere Regelungen zu verständigen. Die Positionen der Bundesländer etwa beim Beherbergungsverbot klafften aber im Vorfeld auseinander. So lehnte etwa Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eine Lockerung der strengen Beherbergungs-Beschränkungen in ihrem Bundesland ab, während Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Reisebeschränkungen harsch kritisierte.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt attackierte unterdessen das Krisenmanagement der Kanzlerin. "Es ist geradezu fahrlässig, dass die Bundesregierung nach wie vor keine bundesweit klaren Leitlinien und verständlichen Konzepte koordiniert hat", sagte sie der "Rheinischen Post". Die Grünen-Politikerin nannte es "dringend geboten", dass Merkel "die Koordinierung der Maßnahmen für den Corona-Herbst endlich zur Chefinnensache macht".
Der Städte- und Gemeindebund plädierte für eine bundesweit einheitliche "Corona-Ampel". Diese müsse Grenzwerte definieren, bei deren Überschreitung dann Einschränkungen wirksam würden, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Funke Mediengruppe. Werde in einem Kreis etwa die Grenze von 50 Neuinfektionen überschritten, "springt die Ampel auf Rot und private Veranstaltungen mit mehr als 25 Personen sind dann untersagt".
Auch Landsberg warnte, die von Bundesland zu Bundesland immer unterschiedlicheren Regelungen gefährdeten die notwendige Akzeptanz der Menschen bei der Pandemie-Bekämpfung: "Wenn die Bürgerinnen und Bürger sich im Dschungel der Vorschriften nicht mehr auskennen, werden sie am Ende den Regelungen nicht die notwendige Beachtung zollen."
Im Bundeswirtschaftsministerium werden unterdessen laut den Funke-Zeitungen bereits neue Hilfen für Unternehmen vorbereitet, die besonders hart von möglichen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen betroffen sein könnten. Demnach sollen die anvisierten neuen Hilfen vor allem dem Hotel- und Gaststättengewerbe zugute kommen. Weitere Unterstützung wird dem Bericht zufolge aber auch für die Veranstaltungsbranche sowie die Messe- und Ausstellungswirtschaft ins Auge gefasst.
by AXEL SCHMIDT