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Weiter heftige Kämpfe im Gazastreifen - Größte Klinik nicht mehr funktionsfähig

Angesichts der heftigen Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der islamistischen Hamas wächst die Sorge um die Menschen in den Krankenhäusern im Gazastreifen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilte am Sonntag mit, das größte Krankenhaus in dem Küstengebiet, die Al-Schifa-Klinik, sei nicht mehr funktionsfähig. Hunderte Patienten sowie tausende Menschen, die auf dem Krankenhausgelände Zuflucht suchten, gerieten zwischen die Fronten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu deutete unterdessen die Möglichkeit eines Abkommens über die Freilassung zumindest einiger der von der Hamas verschleppten Geiseln an.

Im Al-Schifa-Krankenhaus gebe es seit drei Tagen keinen Strom und kein Wasser mehr, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. "Bedauerlicherweise ist das Krankenhaus nicht mehr funktionsfähig." Die Lage vor Ort sei "schlimm und gefährlich". Die Zahl der Todesfälle unter den Patienten habe stark zugenommen. Zuvor hatte die WHO den Kontakt zu ihren Ansprechpartnern im Al-Schifa-Krankenhaus nach eigenen Angaben wieder hergestellt.

Nach Angaben eines Vertreters der Hamas-Regierung starben in der Klinik mittlerweile fünf Frühgeborene und sieben schwerkranke Patienten. "Wir befürchten, dass die Zahl der Opfer bis zum Morgen weiter steigen wird", sagte der stellvertretende Gesundheitsminister Jussef Abu Risch am Sonntag.

Das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza ist das größte Krankenhaus im Gazastreifen. Der Klinikkomplex gerät seit Tagen immer wieder unter Beschuss, bei einem israelischen Angriff wurde nach Angaben von Abu Risch die Kardiologie "vollständig" zerstört. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen beschrieb die Lage in der Klinik als "katastrophal". 

Eine andere Klinik, das Al-Kuds-Krankenhaus, musste ihre Arbeit nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmondes einstellen, weil es keinen Treibstoff mehr für die Generatoren gab. Ein Vertreter der Hamas-Behörden erklärte zudem, die "erzwungene Evakuierung der Kinderkrankenhäuser Al-Nasr und Al-Rantissi" habe dazu geführt, dass "die Kranken ohne Behandlung auf der Straße sind". 

Das israelische Militär hatte zuvor mitgeteilt, dass es für die zwei Krankenhäuser "die Evakuierung ermöglicht" habe. Von unabhängiger Seite konnten die Angaben beider Seiten nicht überprüft werden. Die Armee weist Vorwürfe, sie greife das Al-Schifa-Krankenhaus an, zurück. Nach israelischen Angaben verstecken sich Hamas-Kämpfer in der Klinik und in Tunneln unter dem Gebäude.

Zeugen sagten der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag, die ganze Nacht hindurch habe es rund um das Al-Schifa-Krankenhaus "heftige Kämpfe" gegeben. Das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium erklärte, die Klinik werde von israelischen Panzer "belagert". 

Die Europäische Union warf der Hamas vor, Krankenhäuser und Zivilisten im Gazastreifen als "menschliche Schutzschilde" zu benutzen. In einer Erklärung, die der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Sonntagabend im Namen der EU verbreitete, wurde Israel zugleich zu "größtmöglicher Zurückhaltung" aufgerufen, um das Leben von Zivilisten zu schützen.

Hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt, darunter zahlreiche Kinder. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen in Israel getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Israels Regierungschef Netanjahu äußerte sich am Sonntag im US-Fernsehen über die Verhandlungen über die Freilassung von Frauen, Kindern und alten Menschen, die sich in der Gewalt der Hamas befinden. Auf die Frage, ob es ein entsprechendes Abkommen geben könnte, sagte Netanjahu: "Das könnte sein." 

Genauere Ausführungen zu einem möglichen Geisel-Abkommen wollte Netanjahu im US-Fernsehsender NBC nicht machen. "Je weniger ich mich zu diesem Thema äußere, desto mehr erhöhe ich die Chancen, dass dies Wirklichkeit wird", sagte er.

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober greift das israelische Militär massiv Ziele im Gazastreifen an, inzwischen sind auch Bodentruppen in das Palästinensergebiet eingedrungen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden bis Sonntagabend 11.180 Menschen getötet. Etwa die Hälfte der 2,4 Millionen Bewohner ist innerhalb des schmalen Küstengebiets auf der Flucht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies unterdessen Forderungen nach einer sofortigen Waffenruhe zurück - "weil das ja letztendlich bedeutet, dass Israel die Hamas sich erholen lassen soll". Der Kanzler sprach sich bei einer Veranstaltung der Zeitung "Heilbronner Stimme" stattdessen für "humanitäre Pausen" aus. 

bfi