Der tödliche mutmaßliche Drohnenangriff auf einen Öltanker vor der Küste des Oman sorgt weiterhin für erhebliche internationale Spannungen. Die USA kündigten am Montag ein gemeinsames Vorgehen mit Großbritannien, Israel, Rumänien und weiteren Staaten gegen den Iran an, den sie für den Angriff auf den von der Firma eines israelischen Unternehmers betriebenen Tanker verantwortlich machen. Die Regierung in Teheran wies die Vorwürfe zurück und drohte ihrerseits mit Konsequenzen.
Der Öltanker "MT Mercer Street" war am Donnerstag vor der Küste des Oman angegriffen worden. Ein rumänisches und ein britisches Besatzungsmitglied wurden dabei getötet. Israel, die USA und Großbritannien gehen von einem Drohnenangriff aus, hinter dem der Iran steckt.
US-Außenminister Antony Blinken wiederholte diese Vermutung am Montag vor Journalisten. Seine Regierung stehe "in sehr engem Kontakt" mit den betroffenen Ländern, um sich zwecks einer "gemeinsamen Antwort" abzusprechen.
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson sprach von einem "inakzeptablen und ungeheuerlichen Angriff". "Ich denke, dass der Iran sich den Konsequenzen seines Handelns stellen muss." Die britische Regierung bestellte den iranischen Botschafter in London ein. Auch Rumänien beschuldigte den Iran und bestellte dessen Botschafter ein, wie das Außenministerium in Bukarest mitteilte.
"Falls sie irgendwelche Beweise für ihre unbegründeten Behauptungen haben, sollten sie diese vorlegen", erklärte der iranische Außenamtssprecher Said Chatibsade. Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Irna bestellte das Außenministerium in Teheran seinerseits wegen der Stellungnahmen ihrer jeweiligen Regierungen den Geschäftsträger der britischen Botschaft und den rumänischen Botschafter ein.
Chatibsade warnte die USA und die anderen Staaten vor Schritten gegen den Iran. Teheran werde die Interessen des Landes verteidigen und auf jede "Abenteuerpolitik sofort und entschlossen reagieren".
Beobachtern zufolge spricht vieles dafür, dass der Angriff auf den Tanker auf eine Art "Schattenkrieg" zwischen Israel und dem Iran zurückzuführen ist. In den vergangenen Monaten hatte es mehrfach Berichte über Angriffe auf iranische Schiffe gegeben, die Teheran mit Israel in Verbindung brachte. Im April etwa wurde im Roten Meer ein iranisches Schiff durch eine Explosion beschädigt. Die "New York Times" berichtete damals, der Angriff sei eine "Vergeltung für vorangegangene iranische Angriffe auf israelische Schiffe".
Teheran beschuldigt Israel außerdem, seine Atomanlagen zu sabotieren und gezielt Wissenschaftler zu töten. Außenamtssprecher Chatibsade warf den USA und Großbritannien vor, durch ihr "Schweigen Sabotage und terroristische Angriffe auf iranische Handelsschiffe" zu unterstützen.
Die Spannungen könnten die Verhandlungen in Wien über eine Rückkehr des Iran und der USA zum Atomabkommen von 2015 gefährden. Das internationale Abkommen soll verhindern, dass der Iran die Fähigkeit zum Bau einer Atombombe erlangt. Die USA waren unter Präsident Donald Trump 2018 aus der Vereinbarung ausgestiegen. Als Reaktion zog sich Teheran schrittweise von seinen Verpflichtungen zurück.
Trumps Nachfolger Joe Biden hat sich grundsätzlich zu neuen direkten Verhandlungen mit dem Iran bereit erklärt, die Gespräche in Wien waren zuletzt allerdings ins Stocken geraten.
Das Auswärtige Amt in Berlin zeigte sich "alarmiert" über die Attacke vom Donnerstag. Dies sei ein "Angriff auf die Sicherheit der Seewege, den wir verurteilen", sagte eine Sprecherin. Es sei nun wichtig, die Hintergründe des Vorfalls aufzuklären. Deutschland sieht sich auch bei den Atomverhandlungen als Vermittler. Bisher sprechen die USA in Wien nicht direkt mit dem Iran.
by JONATHAN ERNST