Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), empfiehlt in der Diskussion über die Personalgewinnung der Bundeswehr die Wiedereinführung der Musterung. "Man könnte wie in Schweden einen gesamten Jahrgang junger Leute für die Bundeswehr zur Musterung einladen", sagte Högl dem Nachrichtenportal "t-online.de". Diese Musterung solle sich "an alle Geschlechter richten".
Högl verband diesen Vorstoß mit der Idee eines verpflichtenden Dienstjahres für junge Menschen im zivilen oder militärischen Bereich. Dieses Konzept finde sie "diskussionswürdig". Nach der Musterung könnten sich die jungen Leute, sofern sie "wehrfähig" seien, entscheiden, ob sie sich bei der Bundeswehr engagieren wollten oder anderswo.
Eine Rückkehr zur Wehrpflicht schloss Högl aber aus. "Die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland wieder rückgängig zu machen, hilft überhaupt nicht. Wir haben nicht genügend Ausbilder und nicht genügend Infrastruktur dafür."
Die Wehrbeauftragte mahnte insgesamt mehr Anstrengungen an, um genug Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. "Auch nach Ende des Krieges in der Ukraine müssen wir gegen die Gefahr eines Aggressors, sei es Russland oder jemand anderes, gewappnet sein", sagte sie in dem am Freitag veröffentlichten Interview. Deutschland werde weiter "internationales Krisenmanagement" betreiben müssen. "Deshalb müssen wir jetzt in die Personalgewinnung investieren. Das ist noch wichtiger als die Herausforderung beim Material."
Högl betonte, die Bundeswehr müsse zeigen, "dass sie ein attraktiver Arbeitgeber ist. Mit modernen Führungsstrukturen und ausreichend Material und Ausstattung". Wenn junge Menschen zur Bundeswehr kämen und "in ihrer Stube nicht mal WLAN" hätten, "dann haben wir ein Problem".
Die Wehrbeauftragte sprach sich außerdem für eine Stärkung der Reserve aus. Hierzu gebe verschiedene Ansätze. "Auch Ungediente sollten die Möglichkeit bekommen, bei der Bundeswehr eine Ausbildung zu machen und dann für die Reserve zur Verfügung zu stehen", sagte Högl. "Sie bekommen eine verkürzte militärische Grundausbildung, können dann aber auch Wehrübungen absolvieren."
In Zusammenhang mit der Personalgewinnung kritisierte Högl außerdem Auftrittsverbote für die Armee an Schulen. "Jugendoffiziere informieren hervorragend über die Bundeswehr", sagte sie. Dies sei keine "aggressive Werbung, sondern klärt über die Arbeit der Bundeswehr auf". In Baden-Württemberg gibt es ein Werbeverbot für die Bundeswehr an Schulen, auch in anderen Bundesländern wird die Frage kontrovers diskutiert.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte am Donnerstag eine neue Anwerbe-Kampagne der Bundeswehr angekündigt. Das Thema Personalgewinnung stehe neben der Materialbeschaffung für ihn an erster Stelle, sagte er bei einem Besuch des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln.
Die Bundeswehr ist nach Angaben des Verteidigungsministeriums mit mehr als 260.000 Angehörigen - unter ihnen über 183.000 Soldatinnen und Soldaten - einer der größten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes. Das Ministerium beziffert den jährlichen Personalbedarf auf etwa 20.000 Beschäftigte.
cne/cha