Nach dem angekündigten Abzug von US-Truppen aus Deutschland kommen vom Koalitionspartner und aus der Opposition Schuldzuweisungen an die SPD. CSU-Generalsekretärsvize Florian Hahn warf den Sozialdemokraten am Samstag vor, die deutsch-amerikanische Freundschaft "zu schädigen". Der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai sprach von "Anti-Amerikanismus, der in der SPD um sich greift". Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, rief derweil die EU zum Aufbau einer unabhängigen Verteidigung auf.
Der CSU-Politiker Hahn sagte der "Bild"-Zeitung vom Samstag mit Blick auf die SPD: "Wenn die beiden obersten Vertreter einer Regierungspartei nichts unterlassen, um die deutsch-amerikanische Freundschaft zu schädigen, muss man sich über eine Gegenreaktion aus dem Weißen Haus nicht wundern."
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Djir-Sarai, warnte, die Äußerungen von SPD-Spitzenpolitikern stellten zunehmend ein "Sicherheitsrisiko für Deutschland" dar. Derzeit "dominieren Ideologen wie Saskia Esken und Rolf Mützenich den Diskurs", sagte er mit Blick auf die SPD-Parteichefin und den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. Dies führe nicht nur bei der aktuellen US-Regierung, sondern auch im Lager des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden "zu kritischen Tönen".
Die US-Regierung hatte am Mittwoch den Abzug von rund 12.000 Soldaten aus Deutschland angekündigt. SPD-Fraktionschef Mützenich hatte daraufhin gemeinsame Rüstungsprojekte in Frage gestellt. Er wolle nicht, dass Deutschland in größere Abhängigkeit von US-Präsident Donald Trump gerate.
Im RBB-Inforadio bekräftigte Mützenich derweil seine erstmals im Mai erhobene Forderung, die USA müssten ihre Atomwaffen aus Deutschland abziehen. Er fühle sich durch die Diskussion darüber bestätigt, sagte Mützenich am Samstag. Die SPD habe schon im vergangenen Wahlprogramm einen solchen Abzug gefordert. Er sei zuversichtlich, dass seine Partei vor der kommenden Bundestagswahl wieder eine Antwort geben werde, sagte Mützenich.
EVP-Fraktionschef Weber sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Samstag: "Europa muss jetzt endlich konkret werden. Der Aufbau einer europäischen Einsatztruppe, die unter EU-Kommando steht, muss angepackt werden." Der CSU-Vize fügte hinzu: "Wir Europäer müssen endlich erwachsen werden." Der deutsche Parlamentsvorbehalt könne als Vorbild für Europa gelten, so Weber. "Die EU-Truppen sollten nur in den Einsatz gehen, wenn das Europäische Parlament dafür grünes Licht gibt."
Die USA würden unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahl nicht als Weltpolizist zurückkommen, sagte Weber weiter. "Und es ist ja eine berechtigte Kritik, dass wir Europäer uns zu wenig Gedanken über unsere Verteidigung gemacht haben."
by CHRISTOF STACHE