Nach der Teilzerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine ist am Mittwoch der Wasserstand in den flussabwärts des Damms gelegenen Flutgebieten am Ufer des Dnipro weiter angestiegen. Am schwierigsten sei die Lage im Viertel Korabel in der Großstadt Cherson, erklärte der stellvertretende Kabinettschef des ukrainischen Präsidenten, Oleksij Kuleba. Das Wasser habe dort einen Stand von 3,5 Metern erreicht, mehr als 1000 Häuser seien überflutet. USA und Großbritannien erklärten unterdessen, sie hätten noch keine Beweise dafür, wer für die Zerstörung des Staudamms verantwortlich sei.
Ukrainische Behörden hatten am Dienstag die Evakuierung von rund 17.000 Menschen eingeleitet, auf der von Russland besetzten Seite sollten weitere 25.000 Anwohner fortgebracht werden.
Der in russisch besetztem ukrainischen Gebiet liegende Kachowka-Staudamm am Dnipro war bei einer Explosion in der Nacht zum Dienstag teilweise zerstört worden, große Mengen Wasser traten aus. Zehntausende Menschen wurden am Dienstag auf der ukrainischen und der von Russland besetzten Seite des Flusses Dnipro in Sicherheit gebracht. Die USA warnten vor "womöglich vielen Toten", die UNO sprach von humanitären Folgen für "hunderttausende Menschen".
Die Ukraine und Russland machten einander gegenseitig für die Zerstörung des Damms verantwortlich. Die USA und Großbritannien äußerten sich bei der Bewertung des Dammbruchs unterdessen zurückhaltend. In Washington sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, John Kirby, die USA könnten die Lage noch nicht abschließend bewerten. "Wir versuchen weiter Informationen zu sammeln und mit den Ukrainern zu sprechen", sagte er.
Britische Geheimdienste untersuchen nach Angaben von Premierminister Rishi Sunak die Gründe für die Zerstörung des Kachowka-Staudamms. Er könne derzeit "nicht sagen, ob Vorsatz dahinter steckt", sagte Sunak vor seiner Abreise zu einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden. Es sei "zu früh", um ein "endgültiges Urteil" zu dem Dammbruch abzugeben, sagte Sunak weiter.
Sunak nannte die Zerstörung des Staudamms den "größten Angriff auf zivile Infrastruktur" seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sollte Moskau hierfür verantwortlich sein, wäre dies laut dem britischen Premier ein Beleg für "neue Tiefpunkte russischer Aggression".
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einer "neuen Dimension" im Krieg. Die Beschädigung sei etwas, "das zu der Art und Weise passt, wie Putin diesen Krieg führt", sagte Scholz in Berlin. Bundesaußenministern Annalena Baerbock (Grüne) warf Russland vor, einen "Staudamm in der Nähe eines Kernkraftwerks als Kriegswaffe" zu missbrauchen.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte den Angriff scharf. Die Zerstörung gefährde tausende Zivilisten und verursache schwere Umweltschäden, schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter. EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb: "Die Zerstörung ziviler Infrastruktur gilt klar als Kriegsverbrechen - und wir werden Russland und seine Stellvertreter zur Verantwortung ziehen."
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