Die populistische Partei ANO von Ministerpräsident Andrej Babis hat die Parlamentswahl in Tschechien nach ersten Ergebnissen knapp gewonnen, steht nun aber vor einer schwierigen Regierungsbildung. Nach Auszählung von über 90 Prozent der Stimmen lag die ANO am Samstag mit gut 28 Prozent der Stimmen auf Platz eins, das konservative Oppositionsbündnis Zusammen landete demnach mit über 27 Prozent nur knapp dahinter.
Die Kommunisten werden den ersten Ergebnissen zufolge künftig nicht mehr im Prager Parlament vertreten sein - erstmals seit dem Zweiten Weltkieg. Mit voraussichtlich rund 3,8 Prozent verpasste die Kommunistische Partei die Fünf-Prozent-Hürde deutlich.
Ein linksliberales Oppositionsbündnis unter Führung der Piratenpartei kommt auf 15 Prozent. Wie auch das konservative Bündnis Zusammen haben die Piraten eine Zusammenarbeit mit Babis ausgeschlossen. Gemeinsam kommen die beiden Bündnisse auf 103 der 200 Parlamentssitze.
Die rechtsextreme Partei SPD zieht dem Teilergebnis zufolge mit zehn Prozent der Stimmen ins Parlament ein - die islam- und EU-feindliche Partei des in Japan geborenen Tomio Okamura gilt als möglicher Koalitionspartner von Babis' ANO-Partei. Babis' bisheriger Partner, die Sozialdemokraten, mussten um den Einzug ins Parlament bangen.
Vieles hängt nun von Staatspräsident Milos Zeman ab, der als Verbündeter von Babis gilt und dem Parlament laut Verfassung einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorschlägt. Anfang des Jahres hatte Zeman angekündigt, nur einen Parteichef dafür in Erwägung zu ziehen, keinen Anführer eines Parteienbündnisses.
"Er wird sein Bestes tun, um die ANO an der Macht zu halten", sagt Josef Mlejnek von der Prager Karls-Universität. "Das haben wir schon bei Babis' erster Regierung gesehen." Nach der Wahl 2017 hatte es knapp ein Jahr gedauert, bis der Regierungschef im zweiten Anlauf und mit Zemans Segen seine Minderheitsregierung bilden konnte.
Eine Fortführung dieser Minderheitsregierung aus ANO und Sozialdemokraten ist dem vorläufigen Ergebnis zufolge jedoch quasi ausgeschlossen. Auch ein Bündnis des Regierungschefs mit den Rechtsextremen hätte keine Mehrheit - und zugleich Schwierigkeiten, implizite Unterstützer wie bislang die Kommunisten zu finden.
Regierungschef Babis war wenige Tage vor der Wahl durch Enthüllungen im Rahmen der "Pandora Papers" in Erklärungsnot geraten. Demnach soll der 67-jährige Milliardär 2009 über eine Briefkastenfirma anonym ein Landschloss in Südfrankreich für 15 Millionen Euro gekauft haben. Die Herkunft des Geldes ist nicht bekannt, der Vorwurf der Geldwäsche steht im Raum. Babis wies die Anschuldigungen als Verleumdungskampagne zurück.
Der gebürtige Slowake ist einer der reichsten Männer Tschechiens. Sein Mischkonzern Agrofert ist vor allem in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sowie im Chemie- und Mediensektor tätig. Als Unternehmer hatte Babis in der Vergangenheit auch millionenschwere EU-Subventionen erhalten. In Brüssel wird dies als Interessenskonflikt betrachtet, die neu gegründete EU-Staatsanwaltschaft ist damit betraut.
Die tschechische Staatsanwaltschaft ermittelt außerdem wegen Betrugs mit EU-Mitteln gegen Babis. Die verschiedenen Vorwürfe hatten dem Populisten in der Vergangenheit politisch allerdings kaum ernsthaft geschadet.
Die Wahlbeteiligung lag mit voraussichtlich knapp 65 Prozent deutlich über dem Wert von 2017. Damals waren knapp 61 Prozent der Berechtigten zur Wahl gegangen.
by Von Jan FLEMR