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Wagenknecht und Linke wollen Fraktion übergangsweise bestehen lassen

Nach der Abspaltung der Gruppe um Sahra Wagenknecht von der Linkspartei bemühen sich beide Seiten darum, den Fortbestand der Fraktion im Bundestag zumindest übergangsweise zu sichern. Allerdings gehen die Vorstellungen dabei weit auseinander: Wagenknecht sagte, sie wolle mit ihren Mitstreitern weiter in der Fraktion bleiben, um deren Bestand - und insbesondere die Jobs der Mitarbeiter -  vorerst zu sichern. Die Parteispitze forderte die Ausgetretenen hingegen abermals auf, ihre Bundestagsmandate abzugeben.

Würden Wagenknecht und die neun Bundestagsabgeordneten, die am Montag mit ihr aus der Partei ausgetreten sind, ihre Mandate niederlegen, könnten die vakanten Sitze über die Wahlliste der Linken nachbesetzt werden - auch so könnte zahlenmäßig der Bestand der Fraktion gesichert werden.

Momentan hat die Linksfraktion 38 Mitglieder. Nötig für eine Fraktion sind mindestens 37. Ohne Fraktionsstatus verliert die Linke im Bundestag nicht nur wichtige Parlamentsbefugnisse, sondern auch erhebliche finanzielle Zuwendungen insbesondere für die Beschäftigung von ihren mehr als hundert Mitarbeitenden, deren Jobs bei einer Abwicklung der Fraktion auf dem Spiel stünden.

Wagenknecht und ihre Mitstreiter wollen auf ihre Bundestagssitze nicht verzichten. "Natürlich werden wir versuchen, die Fraktion jetzt so lange wie möglich aufrechtzuhalten", sagte Wagenknecht in den ARD-"Tagesthemen". Dies sei auch "im Interesse der Mitarbeiter" der Fraktion. Die Wagenknecht-Gruppe hat den Verbleib in der Fraktion beantragt; darüber soll auf der nächsten Fraktionssitzung am 7. November entschieden werden.

Die Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler forderte Wagenknecht und ihre Gefolgsleute abermals auf, ihre Bundestagsmandate niederzulegen. "Der Aufbau eines eigenen Parteiprojektes, das gegen die Linke antreten will, ist unanständig gegenüber den Mitgliedern und unseren Wählern", sagte Wissler der "Welt". Nur durch den Mandatsverzicht "könnte die Fraktion mit allen politischen Einflussmöglichkeiten und Mitarbeitern erhalten bleiben".

Die stellvertretende Linken-Fraktionschefin Susanne Ferschl sprach sich dafür aus, vorübergehend mit den Wagenknecht-Anhängern eine Fraktion zu bilden. Andernfalls drohe mehr als hundert Mitarbeitern der Fraktion noch vor Weihnachten die Kündigung, sagte sie der "Augsburger Allgemeinen" vom Dienstag. Sie rate ihrer Partei deshalb, auf das Angebot von Wagenknecht einzugehen und die Abweichler zumindest bis Januar in der Fraktion zu belassen.

"Ich glaube, dass es durchaus möglich ist, die paar Wochen noch gemeinsam zu arbeiten", sagte Ferschl. "Das sind ja nicht unsere Feinde, sondern waren bis vor Kurzem unsere Genossinnen und Genossen."

Die mit Wagenknecht verbündete bisherige Fraktionschefin Amira Mohamed Ali zeigt sich offen für Koalitionen der geplanten neuen Wagenknecht-Partei auch mit der Linken. "Wir schließen, außer mit der AfD, keine Koalition aus", sagte Mohamed Ali den Sendern RTL und ntv. Sie sieht in dem neuen Bündnis keine Protestpartei und kündigte an, regieren zu wollen. "Natürlich, wir wollen mitgestalten."

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Fricke, der nach dem Ausscheiden der Liberalen aus dem Bundestag im Jahr 2013 als Liquidator deren Fraktion auflöste, rechnet mit einschneidenden Konsequenzen für die Linke im Bundestag. "Bei uns hat die Liquidation über vier Jahre gedauert - letztlich wegen vieler ungeklärter Rechtsfragen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. 

Zur Abwicklung der Fraktion müssten ein oder mehrere Beauftragte benannt werden. "Sie müssen die Restgelder verwalten, die Verträge mit den Angestellten beenden oder Verträge etwa mit IT-Firmen kündigen", ergänzte Fricke. "Das ist grob gesagt wie ein Insolvenzverfahren. Es beginnt in dem Moment, in dem die Fraktion zu klein geworden ist." Dann gebe es keine Fraktionsmittel der Bundestagsverwaltung mehr, "und es stellt sich die Frage, wie die Mitarbeiter bezahlt werden können".

pw/mt