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Vorgezogene Parlamentswahl in Bulgarien begonnen

Bei zweitem Urnengang binnen drei Monaten zeichnet sich keine klare Mehrheit ab

Zum zweiten Mal in drei Monaten sind die Bulgaren am Sonntag an die Wahlurnen gerufen worden. Erste Prognosen zu den Ergebnissen der vorgezogenen Parlamentswahl dürften kurz nach Schließung der Wahllokale um 20.00 Uhr Ortszeit (18.00 Uhr MESZ) vorliegen. Der Gerb-Partei des langjährigen Regierungschefs Boiko Borissow, der im Frühjahr zurückgetreten war, droht eine Niederlage.

In Umfragen lag zuletzt die Protestpartei ITN des Sängers und Satirikers Slawi Trifonow etwa gleichauf mit Gerb. Beiden Parteien wurde ein Stimmenanteil von 20 bis 21 Prozent vorausgesagt. Auch andere Bündnisse, die sich im Zuge der regierungskritischen Proteste im vergangenen Jahr gegründet hatten, dürften ins Parlament in Sofia einziehen.

Die ITN hat vorab ein Regierungsbündnis mit etablierten Parteien ausgeschlossen. Zusammen mit den als Koalitionspartner in Frage kommenden Parteien dürfte Trifonows Partei Umfragen zufolge aber nur auf 100 bis 110 der 240 Parlamentssitze kommen. Ohne eine stabile Regierungsmehrheit könnten erneut Neuwahlen in dem EU-Land nötig werden.

Die Neuwahl war nach einer fehlgeschlagenen Regierungsbildung infolge der regulären Parlamentswahl im April nötig geworden. Bereits bei dieser Abstimmung hatte Gerb deutlich an Rückhalt eingebüßt, war aber mit gut 26 Prozent stärkste Kraft geblieben. Trifonows ITN errang damals 17,6 Prozent der Stimmen.

Als Reaktion auf das schlechte Wahlergebnis trat Borissow, der in Bulgarien seit 2009 fast durchgehend an der Macht gewesen war, zurück. Gegen mehrere Korruptionsaffären der Regierung und ihr Corona-Management hatte es im Sommer des vergangenen Jahres Massenproteste gegeben. Der Übergangsregierung warf Borissow bei einer Wahlveranstaltung am Freitagabend "Terror und Unterdrückung" vor.

by Nikolay DOYCHINOV