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Vorerst keine Streiks bei der Bahn

Lokführergewerkschaft GDL kündigt aber harten Arbeitskampf im August an

Bahnkundinnen und -kunden können erst einmal aufatmen: Die Lokführergewerkschaft GDL verzichtet in den kommenden Wochen auf Streiks. GDL-Chef Claus Weselsky kündigte dafür aber einen harten Arbeitskampf im August an; die Mitglieder können bis 6. August darüber abstimmen. Bis dahin könne das Management der Deutschen Bahn (DB) noch einlenken, sagte Weselsky. Der Konzern bot die Fortsetzung der Tarifverhandlungen oder eine Schlichtung an.

Weselsky kündigte am Donnerstag an, in der ersten Julihälfte würden die Unterlagen für eine Urabstimmung an die rund 37.000 Mitglieder versandt. Die Stimmen würden am 9. August ausgezählt. Er rechne mit einer Zustimmung zu Streiks "oberhalb von 90 Prozent", sagte der Gewerkschaftschef. "Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner haben die Nase gestrichen voll."

Wann genau und wie lange gestreikt werde, bestimme der Vorstand der GDL - "aber es werden bestimmt nicht zwei oder drei Stunden sein", sagte Weselsky. Mit einem unbefristeten Streik werde die GDL aber nicht starten.

Auf Warnstreiks verzichtet die Gewerkschaft laut Weselsky, weil sie "den Angriff" der DB dagegen "über die Gerichte" erwartet. Sie wolle den Mitgliedern eine kurzfristige Absage von Arbeitskampfmaßnahmen ersparen.

Der Gewerkschaftschef warf der Bahn erneut vor, in den Tarifverhandlungen "inakzeptable Vorbedingungen und Gegenforderungen gestellt" zu haben. Der Konzern habe von den Arbeitnehmern einen Solidarbeitrag gefordert - die Folge wären "massive Reallohnverluste". Das "direkte Personal" habe aber selbst in der größten Corona-Pandemie den Verkehr rund um die Uhr sicher und zuverlässig aufrechterhalten.

Zudem wolle die DB die Betriebsrenten kürzen und die Freizeitplanung beeinträchtigen. Die Bahn habe "kein Interesse an einer Einigung", sagte der GDL-Chef.

Der Konzern hatte zuletzt 3,2 Prozent mehr Lohn in zwei Stufen angeboten. Damit sei der Konzern bereit, die Forderung der GDL "vollumfänglich" zu erfüllen, sagte DB-Personalchef Martin Seiler. Allerdings brauche die Bahn eine etwas längere Laufzeit, um die 2021 weiter gestiegenen Corona-Schäden zu bewältigen. Das Angebot sehe zudem einen erweiterten Kündigungsschutz, tausende Neueinstellungen und eine in der Branche "führende" Altersvorsorge vor.

Die Bahn halte eine Einigung nach wie vor für möglich, betonte Seiler vor Bekanntgabe der GDL-Urabstimmung. Der Konzern sei auch erneut zu einer Schlichtung bereit. Die Bahn habe keine Vorbedingungen oder Gegenforderungen erhoben, versicherte Seiler.

Die GDL wolle nicht verhandeln, ihr gehe es "um Spaltung, Konkurrenz, Macht", kritisierte der Personalvorstand. Die Gewerkschaft dürfe die laufende Tarifrunde nicht missbrauchen, "um Macht und Konkurrenz nach vorn zu schieben".

Hintergrund hierbei ist der Streit um das seit Januar geltende Tarifeinheitsgesetz (TEG). Bei konkurrierenden Tarifabschlüssen sind für dieselbe Berufsgruppe in einem Betrieb die Vereinbarungen mit der Mehrheitsgewerkschaft gültig - GDL und die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) verhandeln teilweise aber für die gleichen Berufsgruppen.

Laut Bahn sind 71 ihrer rund 300 Betriebe betroffen, laut Weselsky 174 Betriebe. Die GDL stellte nach Angaben der Bahn bundesweit bereits mindestens 22 Eilanträge, um die Anwendung des TEG zu stoppen - in bislang acht Fällen erfolglos. Weselsky sagte dazu, die Gewerkschaft nehme Niederlagen bei einstweiligen Verfügungen in Kauf: "Das gehört dazu." Entschieden werde im Hauptsacheverfahren.

Weselsky warf der Bahn vor, sie wolle die GDL "bewusst kleinhalten". Der Konzern erklärte, die GDL "ist und bleibt einer der Tarifpartner der DB". Eine Vereinbarung über eine geordnete Koexistenz lehnen sowohl die GDL als auch die EVG ab.

by DANIEL ROLAND