Vor dem Chemiegipfel im Kanzleramt am Mittwoch hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst vor einem Wohlstandsverlust gewarnt und eine Entlastung energieintensiver Unternehmen durch eine Senkung des Strompreises gefordert. "Für den Chemiestandort Deutschland ist es fünf vor zwölf. Damit steht auch unser Wohlstand auf der Kippe", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch).
"Es braucht einen international wettbewerbsfähigen Strompreis – beispielsweise durch die Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz, den Verzicht auf den Wegfall des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer nach 2024 oder durch einen Brückenstrompreis", sagte Wüst. Zudem seien schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren nötig.
Laut einem Papier von Vertretern der Chemie-Industrie aus 14 Bundesländern, das den Funke-Zeitungen vorliegt, stellen die hohen Energiepreise energieintensive Unternehmen vor große Herausforderungen. "Ohne ein entschlossenes Entgegensteuern besteht die akute Gefahr der Verlagerung von Produktion und damit Arbeitsplätzen an kostengünstigere Standorte im Ausland", erklärte Wüst.
Es müsse gehandelt werden, "bevor es zu spät ist", warnte der CDU-Politiker. "Deutschland muss ein starker Chemiestandort bleiben. Das ist sowohl im Sinne des Klimaschutzes als auch des Erhalts gut bezahlter Arbeitsplätze."
Derzeit wird in Deutschland heftig darüber diskutiert, wie Unternehmen vor den derzeit hohen Strompreisen geschützt werden können, damit sie nicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die Industrie bekräftigte ihre Forderung nach einer Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten. Insgesamt sei dies zunächst wichtiger als ein Industriestrompreis, sagte der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, am Dienstag im "Morgenmagazin" der ARD.
Grüne und auch Teile der SPD befürworten eine subventionierten Industriestrompreis für energieintensive Firmen, die im globalen Wettbewerb stehen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist skeptisch, die FDP lehnt das ab.
Verschärft wird die Debatte durch Sorgen um die Konjunktur. So senkte etwa die OECD kürzlich ihre Prognose für Deutschland, sie geht nun vom einem Abschwung der deutschen Volkswirtschaft um 0,2 Prozent in diesem Jahr aus.
kbh