Überschattet von der Corona-Pandemie hat am Sonntag in Portugal die Präsidentschaftswahl stattgefunden. Umfragen zufolge dürfte der beliebte konservative Amtsinhaber Marcelo Rebelo de Sousa beim ersten Wahlgang die meisten Stimmen bekommen, womöglich ist aber eine Stichwahl Mitte Februar nötig. Der rechtspopulistische Kandidat André Ventura könnte einen Achtungserfolg erringen. Auch wegen des derzeitigen Corona-Lockdowns wurde mit einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung gerechnet.
Auf dem portugiesischen Festland und der Insel Madeira öffneten die Wahllokale am Sonntag um 08.00 Uhr (Ortszeit; 09.00 Uhr MEZ), erste Prognosen werden ab 21.00 Uhr (MEZ) erwartet. In der Hauptstadt Lissabon bildeten sich schon kurz nach der Öffnung der Wahllokale Schlangen davor, die Wähler wurden zur Eindämmung der Corona-Pandemie nur einzeln eingelassen.
Die Lehrerin Fatima Cristo sagte vor einem Wahllokal in einer Lissabonner Bücherei, sie sei zufrieden mit der Organisation der Wahl. "Es ist nicht allzu einschüchternd, trotz all der Angst", sagte die 63-Jährige.
Der 54-jährige José Barra sagte: "Nichts hätte mich von der Stimmabgabe abgehalten, aber ich denke, dass beispielsweise ältere Menschen sowohl vom Virus als auch von den Schlangen abgeschreckt werden."
Da die Briefwahl in Portugal kaum verbreitet ist, hatten die Behörden vor einer Woche bereits eine vorgezogene Stimmabgabe organisiert. Fast 200.000 Bürger wurden dabei in den Wahllokalen gezählt.
Insgesamt 9,8 Millionen Portugiesen sind aufgerufen, sich an der Abstimmung zu beteiligen, davon 1,5 Millionen im Ausland. Experten befürchten wegen der Corona-Pandemie allerdings eine historisch niedrige Wahlbeteiligung von rund 30 Prozent.
Bislang wurden in Portugal alle vier Präsidenten seit dem Ende der Diktatur 1976 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Sollte sich keiner der insgesamt sieben Kandidaten in der ersten Wahlrunde durchsetzen, wäre am 14. Februar eine Stichwahl fällig.
In Portugal wurde zuletzt eine extreme Zunahme der Corona-Infektionen festgestellt. Dies wird weitgehend auf die Ausbreitung der besonders ansteckenden Corona-Mutante B.1.1.7 zurückgeführt, die zunächst in Großbritannien festgestellt worden war. Seit Beginn der Pandemie zählte Portugal mehr als 10.000 Corona-Tote.
Landesweit gilt seit anderthalb Wochen ein zweiter Lockdown; fast alle Geschäfte, Restaurants sowie Schulen sind geschlossen. Wegen der besorgniserregenden Infektionslage war der traditionelle Wahlkampf-Endspurt gestrichen worden.
Gegen Rebelo de Sousa tritt unter anderem der 38-jährige Gründer der Anti-Establishment-Partei Chega (Genug), Ventura, an und die frühere sozialistische Abgeordnete Ana Gomes.
Rebelo de Sousa ist beliebt im Land. Mit dem sozialistischen Regierungschef António Costa arbeitet der moderat konservative Präsident einträchtig zusammen. Außerdem gibt es viele sympathische Anekdoten über den 72-Jährigen: Dass er in Bermuda-Shorts geduldig an der Supermarktkasse wartet, bis er an der Reihe ist, dass er sein Essen mit Obdachlosen teilt und dass er ins Meer springt, um zwei Mädchen, deren Boot umgestürzt ist, zu Hilfe zu eilen.
Der portugiesische Staatschef hat wenig Vollmachten, kann aber das Parlament für vorgezogene Neuwahlen auflösen. Er wird für fünf Jahre gewählt, maximal zwei Amtszeiten sind möglich.
by Von Thomas CABRAL