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Viele Kommunen bei Aufnahme von Geflüchteten an "Leistungsgrenze"

Viele Städte und Gemeinden haben zunehmend Probleme bei der Suche nach geeigneten Flüchtlingsunterkünften und kämpfen daher mit wachsendem Widerstand vor Ort. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte daher eine Aufnahme der Maghreb-Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsländer. Die FDP ist ebenfalls dafür, die Grünen lehnen das ab, ebenso die Linke.

Landsberg sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Wochenende, viele Kommunen seien "an ihrer Leistungsgrenze bei Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten angelangt". Das führe dazu, "dass der Unmut vor Ort zunimmt". Es fehle nicht nur an Unterkünften, sondern auch an Plätzen in Schulen und Kitas. "Gerade in Gebieten mit großem Wohnungsmangel sinkt die Aufnahmebereitschaft", sagte Landsberg der "NOZ".

Er forderte eine deutliche Ausweitung der in der Regel von Bundesländern betriebenen Erstaufnahmeeinrichtungen, "sodass nur Personen mit Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt werden". Zudem sollten Asylverfahren für Geflüchtete mit geringer Anerkennungschance möglichst bereits an der EU-Außengrenze stattfinden.

Landsberg forderte außerdem, weitere Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsländer aufzunehmen. Das sei "ein Baustein zur Begrenzung des Zuzugs", sagte er den Funke-Zeitungen. "Da die Anerkennung von Menschen aus den Maghreb-Staaten verschwindend gering ist, wäre es richtig, auch diese Staaten in den Kreis der sicheren Herkunftsländer aufzunehmen." Zu diesen Ländern gehören Algerien, Marokko und Tunesien.

Zuspruch kommt aus der FDP. "Wir brauchen dringend Migrationsabkommen", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Ich hielte es für richtig, dabei auch über die Maghreb-Staaten zu beraten. Darüber werden wir innerhalb der Koalition sprechen müssen." Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nannte in der "Welt am Sonntag" als mögliche Maßnahmen zur Kontrolle der Zuwanderung "mehr sichere Herkunftsländer, wirksame Abschiebung, Schutz der EU-Außengrenze, Asylverfahren vom Ausland" - ohne jedoch konkrete Länder zu nennen.

Erst Ende August hatte das Kabinett die Einstufung von Georgien und Moldau als sogenannte sichere Herkunftsländer beschlossen. So sollen Asylverfahren und Abschiebungen, die diese Länder betreffen, beschleunigt werden. 

Die Linke kritisierte das scharf. In beiden Ländern "gibt es Regionen, die unter russischer Kontrolle stehen", sagte Parteichef Martin Schirdewan den Funke-Zeitungen. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sei die Gefahr für viele Menschen gestiegen. Auch die Diskussion um die Maghreb-Staaten lehnte er ab: "Verhaftungen von Oppositionellen und geschürter Rassismus gegen Migranten in den Maghreb-Staaten oder eine De-facto-Diktatur wie in Algerien sind Grund genug, Menschen nicht in diese Länder abzuschieben."

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte eine nochmalige Ausweitung der Liste nach dem Kabinettsbeschluss zu Georgien und Moldau bereits abgelehnt. "Aus innenpolitischen Gründen außenpolitisch mit dem Rasenmäher vorzugehen, halte ich für einen gewagten Ansatz", sagte Baerbock den Funke-Zeitungen und der französischen Zeitung "Ouest-France" vom Freitag. "Daher habe ich immer dafür geworben, von dem Konstrukt der sicheren Herkunftsländer, das Länder plakativ menschenrechtlich abstempelt, wegzukommen."

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen kritisierte die Forderungen der FDP zu den Maghreb-Staaten. "Es ist enttäuschend, dass die FDP kein Interesse an wirksamen Maßnahmen zur Ordnung der Asylpolitik zeigt", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". "Eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten wird vor Ort in den Kommunen bei der Versorgung der Geflüchteten überhaupt keine Entlastung bringen." Die Kommunen bräuchten Unterstützung statt Symbolpolitik aus Berlin.

In der Bundesrepublik beantragten im ersten Halbjahr offiziell 162.271 Menschen Asyl. Davon waren nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gut 150.000 Erstanträge.

hcy/hex