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Viel Zuspruch für Idee einer Siesta bei Hitze in Deutschland

Die Idee der Amtsärzte, in Hitzeperioden eine Siesta in Deutschland einzuführen, stößt auf viel Zuspruch. Medizinisch sei eine solche längere Pause zur Mittagszeit "sicher für viele Berufe sinnvoll", urteilte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag. Der Arbeitgeberverband BDA zeigte sich offen für den Vorschlag und verband ihn mit der Forderung nach einer Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Der DGB sieht grundsätzliche Defizite beim Hitzeschutz für Beschäftigte.

Aufgebracht hatte die Debatte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Johannes Nießen. "Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Dienstag.

"Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst", erläuterte Nießen. "Schlechter Schlaf bei fehlender Abkühlung in der Nacht führt zusätzlich zu Konzentrationsproblemen."

Dem Gesundheitsminister gefällt die Idee. "Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag", schrieb er auf Twitter. "Das sollten aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln."

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zeigte sich offen. Eine Reform des Arbeitszeitrechts könne helfen, "um Beschäftigten die Chance zu geben, flexibler zu arbeiten", erklärte der Verband auf Anfrage des RND. "Dazu können auch längere Mittagspausen gehören, wenn es von den betrieblichen Abläufen her möglich ist und Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich einig sind."

Der BDA unterstrich zugleich, dass die Arbeitgeber bereits jetzt zum Schutz ihrer Beschäftigten bei hohen Temperaturen verpflichtet seien - "sie nehmen diese Fürsorgepflicht sehr ernst". Gesunde Arbeit "ist auch bei Hitze in den Betrieben gewährleistet".

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht das etwas anders. "Arbeit bei Hitze ist für Beschäftigte belastend und gefährdet im schlimmsten Fall ihre Gesundheit", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel den RND-Zeitungen. "Gefährdungsbeurteilungen sind Grundlage für passgenauen Schutz." Diese seien aber immer noch kein Standard in Betrieben. 

Piel sprach von einem "Versäumnis der Arbeitgeber, das angesichts des Klimawandels und der extrem heißen Sommer vollkommen inakzeptabel ist". Sie forderte auch, Büroräume mit Temperaturen von mehr als 35 Grad zu schließen, sofern der Arbeitgeber keine Hilfsmittel wie Luftduschen anbiete.

Zweifel an einer Siesta für Beschäftigte bestimmter Branchen meldete die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) an. "Natürlich müssen wir vor allem die Beschäftigten schützen, die bei dieser Gluthitze draußen unter freiem Himmel arbeiten müssen", erklärte der Vorsitzende Robert Feiger. Das Modell, mehr in den frühen Morgen- und späten Abendstunden zu arbeiten, lasse sich aber für "Bauarbeiter*innen, Erntehelfer*innen und Reinigungskräfte nicht so einfach anwenden".

Beispielsweise würde es bei Bauarbeiten schon vor sieben Uhr morgens "Konflikte mit dem Lärmschutz" geben, führte die Gewerkschaft an. Auch sei es "auf Baustellen und auf den Feldern schwierig, eine, sagen wir mal, vierstündige Siesta mit Mittagsschlaf in einem Container zu verbringen".

"Bei diesen Temperaturen, bei denen das Thermometer mittlerweile die 40 Grad-Grenze immer wieder schrammt, gibt es nur eines: runter vom Bau, vom Feld, von der verschmutzten Dachterrasse", erklärte Feiger. "Für die fehlende Arbeitszeit sollte mit staatlichen Hilfen Ausfallgeld bezahlt werden."

cne/ilo