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Verstorbener Ministerpräsident Biedenkopf für Wirken nach Einheit gewürdigt

CDU-Politiker wurde 91 Jahre alt

Der verstorbene frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) ist für sein Wirken nach der Wiedervereinigung parteiübergreifend von führenden Politikern gewürdigt worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Biedenkopf am Freitag ein "Symbol der inneren Einheit" Deutschlands, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte ihn als herausragenden politischen Kopf und Intellektuellen. Der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) lobte den ersten Ministerpräsidenten nach der Wiedervereinigung als "großen Sachsen".

Biedenkopf war nach einer Laufbahn als CDU-Generalsekretär, Bundestagsabgeordneter und Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen von 1990 bis 2002 Ministerpräsident von Sachsen. Der im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen geborene Biedenkopf wurde 91 Jahre alt, er starb im Kreis seiner Familie. Bis wenige Wochen vor seinem Tod war der Politiker und Hochschullehrer aktiv, sein letzter öffentlicher Auftritt war die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig im April. Biedenkopf hinterlässt seine Frau Ingrid, dazu Kinder und Enkel.

Kretschmer erklärte, Biedenkopf habe das Fundament für eine erfolgreiche Entwicklung Sachsens gelegt. Er sei der mit Abstand beliebteste Politiker des neuen Freistaats gewesen, wie der dreimalige Gewinn der absoluten Mehrheit bei Landtagswahlen gezeigt habe. "Mit großer Dankbarkeit sehen wir auf das Lebenswerk einer der großen deutschen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts", erklärte Kretschmer.

Bundespräsident Steinmeier schrieb in einem Kondolenzschreiben an Biedenkopfs Witwe Ingrid: "Zusammen mit vielen Menschen in unserem Land blicke ich in diesen Stunden dankbar auf seine großen Verdienste um das Zusammenwachsen von Ost und West." Biedenkopf habe Politik und Wissenschaft in beeindruckender Weise zu verbinden gewusst. "Als Modernisierer hat er die Volkspartei CDU und die Reformfähigkeit Deutschlands gestärkt."

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte für Bundeskanzlerin Merkel: "Kurt Biedenkopf war ein herausragender politischer Kopf, ein Intellektueller und ein politischer Macher - und so ist es ein Glück, dass er sich 1990 für den Freistaat Sachsen in die Verantwortung nehmen ließ." Biedenkopf habe als Ministerpräsident in herausfordernden Zeiten Sachsen geprägt. "Viele Impulse für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Sachsens, für den Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung, eines hervorragenden Bildungssystems sind ihm zu verdanken", sagte Seibert.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, mit Biedenkopf verliere "unser Land einen seiner klügsten politischen Köpfe, einen weitsichtigen Gestalter und charismatischen Christdemokraten". Er sei ein "Solitär" in der deutschen Politik gewesen, in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gleichermaßen zu Hause. Schäuble verwies dabei darauf, dass Biedenkopf bereits in den 70er Jahren eine Reform des Rentensystems angemahnt habe und in den 80er Jahren für die ökologische Erneuerung der Marktwirtschaft eingetreten sei.

CDU-Chef Armin Laschet würdigte den Verstorbenen als Ausnahmepolitiker, als "Staatsmann und Landesvater im besten Sinne". "Er hat sich um unser Land verdient gemacht", sagte Laschet. Dabei hob der CDU-Vorsitzende hervor, dass Biedenkopf "einer der klügsten Köpfe der deutschen Politik" gewesen sei - mit scharfem Verstand, mit Herzlichkeit und Leidenschaft.

Auch Vertreter anderer Parteien hoben die Bedeutung Biedenkopfs im Wiedervereinigungsprozess hervor. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schrieb in einem Kondolenzbrief an Biedenkopfs Witwe, er sei von dessen klaren Abgrenzung zur AfD beeindruckt gewesen, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern. "Er hat damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung einer breiten demokratischen Gesellschaft geleistet."

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), erklärte, Biedenkopf habe es über die Grenzen seiner Partei hinaus verstanden, wichtige gesellschaftspolitische Anstöße zu geben. FDP-Chef Christian Lindner erklärte, Biedenkopf sei ein "Vordenker und Visionär" gewesen, ein Vorbild über die Parteigrenzen hinweg.

Der Landesvorsitzende der sächsischen Grünen, Norman Volger, nannte Biedenkopf einen "Mensch mit Charakter, der stets für den Freistaat Sachsen eingetreten ist". Er habe sich über seine Amtszeit hinaus eingemischt, Herausforderungen benannt und Diskussionen nicht gescheut.

by RONNY HARTMANN