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Vergleichsportale warnen vor "Gaspreiswelle" für private Haushalte im Herbst

Einkaufspreise stark gestiegen - Börsenpreis auf Allzeithoch

Haushalte in Deutschland mit einer Gasheizung müssen sich auf steigende Preise einstellen. Die Verbraucherportale Check24 und Verivox warnten am Montag vor einer "größeren Gaspreiswelle" im Herbst; dutzende Versorger haben demnach bereits ihre Preise erhöht. Die Einkaufspreise für Erdgas sind wegen der hohen Nachfrage nach der Corona-Krise und auch wegen relativ leerer Speicher stark gestiegen. Der Börsenpreis für Gas liegt auf einem Allzeithoch.

Die Gaspreise für private Haushalte sind in den vergangenen Monaten bereits stark gestiegen. Ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden zahle aktuell im Schnitt 1516 Euro jährlich für Gas, teilte das Verbraucherportal Check24 am Montag mit. Laut Verivox betrugen die Kosten im September im Schnitt 1299 Euro - das sei so hoch wie seit Juli 2015 nicht mehr.

Grund sind laut den Energieexperten der Verbraucherportale vor allem die stark gestiegenen Einkaufspreise: Der Börsenpreis für Gas liege auf einem Allzeithoch von 44,03 Euro pro Megawattstunde, erklärte Check24: Im September waren es noch 7,99 Euro gewesen. Der Anstieg binnen eines Jahres beträgt 451 Prozent.

Verivox zufolge legten die Einfuhrpreise für Erdgas allein seit Jahresbeginn um 42 Prozent zu. An den Spotmärkten, wo Gas kurzfristig gehandelt wird, hätten sich die Preise demnach seit Jahresbeginn (Januar bis August) mehr als verdoppelt (plus 115 Prozent). Dies geben die Versorger an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter.

50 Gasgrundversorger haben laut Check24 bereits ihre Preise für Verbraucherinnen und Verbraucher erhöht oder Preiserhöhungen angekündigt. Im Durchschnitt betragen die Preiserhöhungen demnach 11,5 Prozent und betreffen gut 310.000 Haushalte. Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden bedeute dies zusätzliche Kosten von durchschnittlich 172 Euro pro Jahr.

Verivox zufolge haben 38 Gasanbieter für September, Oktober und November Preiserhöhungen von durchschnittlich 13 Prozent angekündigt. Bei einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden entspreche das Mehrkosten von rund 191 Euro pro Jahr. Und: "Kein regionaler Versorger plant, die Gaspreise in den kommenden Monaten zu senken", erklärte Verivox.

Der Gaspreis für Verbraucher sei "nicht zuletzt" wegen der Anfang dieses Jahres eingeführten CO2-Abgabe geklettert, erklärten Check24 und Verivox. Sie steigt von derzeit 25 Euro pro Tonne CO2 auf 30 Euro im nächsten Jahr und bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne.

Verivox-Energieexperte Thorsten Storck warnte: "Auch langfristig müssen sich Verbraucher darauf einstellen, dass das Heizen mit Öl und Gas in Deutschland teurer werden wird, denn der nationale CO2-Preis auf fossile Brennstoffe wird sich in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln. Diese Kosten geben Gasversorger an ihre Kunden weiter."

Der Grünen-Politiker Oliver Krischer erklärte die hohen Gaspreise auch mit der russischen Politik. Russland exportiere in diesem Jahr 20 Prozent weniger Gas als 2019 nach Deutschland, erklärte er. Es habe den Anschein, dass das eine "künstliche Knappheit" sei - denn den geringen Exporten nach Deutschland stünden Rekordlieferungen in die Türkei und nach China gegenüber. Hinzu komme die hohe Nachfrage aus Deutschland vor allem seitens der Industrie und der Gaskraftwerke.

"Mindestens die Hälfte des gestiegenen Gaspreises geht auf das Konto von Gazprom und Wladimir Putin. Das ist auch das taktische Begleitspiel, um die Genehmigung der Nord Stream 2 Pipeline durchzudrücken", erklärte Krischer.

Deutschland rutsche bei den ausstehenden Genehmigungen für die Pipeline in eine Situation mit Erpressungspotenzial. Normalerweise sei die Versorgungssicherheit im Winter mit den bestehenden Pipelines gewährleistet, wenn auch die Gasspeicher voll sind. Dieses Jahr seien die Speicher aber nicht voll.

Insbesondere die von Gazprom kontrollierten Speicher, die 25 Prozent der Kapazitäten ausmachen, seien so gut wie leer - "und es gibt keine Anzeichen, dass das in den nächsten Monaten anders wird", erklärte Krischer weiter. "Wenn es richtig kalt wird im Februar, wichtige Speicher leer sind und die Nord Stream 2 nicht in Betrieb genommen wurde, können regional Engpässe auftreten. Dann bleiben Wohnungen kalt und Gaskraftwerke müssen abgeschaltet werden", warnte er.

Der Linken-Abgeordnete Lorenz Gösta Beutin forderte die soziale Abfederung steigender Energiepreise. Er nannte die Wiedereinführung einer staatlichen Energiepreis-Aufsicht, die Anpassung von Sozialleistungen wie Wohngeld an die Energiepreisentwicklung sowie ein gesetzliches Verbot von Strom- und Gassperren für Haushalte, die ihre Rechnung nicht bezahlen. Den CO2-Preis nannte Beutin "die unsolidarische Privatisierung von Klimapolitik". Darum lehne die Linke diesen weiter ab.

by PIERRE ANDRIEU