109602:

Verfassungsschutz stuft AfD als Rechtsextremismus-Verdachtsfall ein

AfD wirft Verfassungsschutz politische Motive vor

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD zum Rechtsextremismus-Verdachtsfall erklärt und damit eine Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln ermöglicht. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus Parlamentskreisen. Ausgenommen von einer möglichen Beobachtung seien allerdings AfD-Parlamentarier sowie Kandidaten für Parlamente. Die AfD-Spitze zeigte sich empört über die Entscheidung und warf dem Verfassungsschutz politische Motive vor.

Mit seiner nun getroffenen Entscheidung verzichtet das Kölner Bundesamt vorerst auf eine geheimdienstliche Überwachung von Abgeordneten in Bund, Ländern und im Europaparlament. Dasselbe gilt für Kandidaten bei den anstehenden Wahlen im Jahr 2021. Für eine Beobachtung von Parlamentariern gebe es besonders hohe Hürden, hieß es aus den Parlamentskreisen. Die AfD hatte gegen eine Einstufung als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz und Verlautbarungen dazu geklagt.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium äußerten sich mit Verweis auf eine Stillhaltezusage nicht zu der Entscheidung. "Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das BfV in dieser Angelegenheit nicht öffentlich", erklärte das Bundesamt.

Der Entscheidung des Bundesamts war eine zweijährige Prüfung vorangegangen. Eine Einstufung als Verdachtsfall kann für eine Partei weit reichende Folgen haben. Ihre Mitglieder dürfen dann observiert und abgehört werden, außerdem darf der Verfassungsschutz V-Leute in ihren Reihen einsetzen. Parteimitglieder, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, müssen mit Schwierigkeiten in ihrer Dienststelle rechnen.

Die AfD erhob in einer ersten Reaktion schwere Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz. Dass sich das Bundesamt an seine eigene Stillhaltezusage "nicht gehalten hat, ist offensichtlich und ein Skandal", erklärten die Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla. Dies drohe "die AfD gerade in einem Superwahljahr massiv zu schädigen".

Meuthen und Chrupalla kündigten an, die Partei werde "deshalb auch hier alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um diesen Schaden so weit wie irgend möglich abzuwenden beziehungsweise gering zu halten". Die beiden Vorsitzenden fügten hinzu: "Uns als Partei liegt bislang keine offizielle Erklärung des Bundesamtes vor, die das bestätigt."

Die AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland erklärten: "Hier wird gezielt versucht, mit Hilfe des Inlandsgeheimdienstes die Wahlchancen der AfD zu schmälern."

Koalitionspolitiker in Berlin begrüßten hingegen die Entscheidung des Verfassungsschutzes. Diese bestätige, "dass sich die AfD in ihrem Wesenskern gegen die Demokratie und unsere freiheitliche Ordnung wendet", erklärte der innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) betonte in der "Augsburger Allgemeinen", dass die Entscheidung keine politischen Motive habe. Sie werde "am Ende einer gerichtlichen Prüfung standhalten".

SPD-Vizefraktionschefin Katja Mast sprach von einem "guten Tag für die Demokratie". Die AfD habe "oft bewiesen, dass sie unsere Demokratie zersetzen will".

Auch der Zentralrat der Juden begrüßte die Entscheidung. "Das Vorgehen des Verfassungsschutzes bestätigt die Gefahr, die von der AfD ausgeht", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. "Sie bemüht sich zwar um eine bürgerliche Fassade, doch das darf nicht über ihre Radikalität hinwegtäuschen."

Grundlage für die Beobachtung der gesamten AfD ist Berichten zufolge ein rund 1000 Seiten langes Gutachten des Verfassungsschutzes. Dafür hatten die Juristen und Rechtsextremismus-Experten des Amts in den vergangenen zwei Jahren etliche Belege für mutmaßliche Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zusammengetragen.

Die Landesverbände der AfD in Sachsen, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt werden bereits von den dortigen Verfassungsschutzämtern als Verdachtsfall geführt.

by Ronny Hartmann