105897:

USA verlangen von Nato-Partnern bei Beschluss zu Afghanistan-Abzug Geduld

Im Bündnis wächst Sorge vor Angriffen der Taliban

Schwierige erste Nato-Mission für US-Außenminister Antony Blinken: Er musste die Alliierten am Dienstag beim Treffen mit seinen Bündniskollegen in Brüssel erneut um Geduld bei der US-Entscheidung über den Abzug aus Afghanistan bitten. In der Militärallianz wuchs die Sorge, dass die Nato-Truppen bald wieder Ziel von Angriffen der radikalislamischen Taliban werden könnten.

Die US-Regierung habe ihre Bewertung zu Afghanistan noch nicht abgeschlossen, sagte Blinken, der erstmals an einem Treffen der Nato-Außenminister teilnahm. US-Präsident Joe Biden habe aber bereits darauf verwiesen, dass ein vollständiger Abzug zum 1. Mai schwierig sein werde.

Die Regierung von Bidens Vorgänger Donald Trump hatte den Taliban einen Abzug aller ausländischen Truppen bis zum 30. April in Aussicht gestellt. Biden hat diese Vereinbarung auf den Prüfstand gestellt, nachdem Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban bisher nicht zum Erfolg geführt haben.

Er werde in Brüssel "einige unserer ersten Gedanken" zu der Abzugsfrage teilen, sagte Blinken. "Aber vielleicht noch wichtiger ist: Ich bin hier, um zuzuhören und Beratungen zu führen (...) Was auch immer die Vereinigten Staaten am Ende tun werden, es wird von den Überlegungen unserer Verbündeten beeinflusst werden."

Seit dem Ende des Kampfeinsatzes Ende 2014 ist die Nato noch mit der Unterstützungsmission "Resolute Support" in Afghanistan. Sie dient der Beratung und Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte und umfasst derzeit 9600 Soldaten. Die Bundeswehr ist mit derzeit rund 1100 Soldaten zweitgrößter Truppensteller nach den USA.

"Wir wollen nicht durch einen zu frühzeitigen Abzug aus Afghanistan riskieren, dass die Taliban zurückkehren zur Gewalt und versuchen, mit militärischen Mitteln an die Macht zu kommen", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Brüssel. "Da haben wir eine hohe Verantwortung." Er hoffe, mit den USA "konkret darüber sprechen (zu) können, wie die nächsten Wochen sich gestalten werden".

"Bleiben wir nach dem 1. Mai oder gehen wir?", fragte ein europäischer Außenminister, der nicht genannt werden wollte. "Wir wissen nicht, was wir tun werden. Und das ist ein Problem."

Tatsächlich gehen Militärplaner schon jetzt davon aus, dass ein Abzug zu Ende April wegen der nötigen Vorbereitungszeit kaum noch möglich ist. Und die Taliban haben bereits mehrfach gedroht, den Kampf gegen die Nato-Truppen wieder aufzunehmen, wenn diese nicht wie vereinbart abzögen. Nicht nur in Deutschland werden deshalb die Forderungen lauter, das Afghanistan-Kontingent zu verstärken, um auf Angriffe vorbereitet zu sein.

Es ist das erste Nato-Außenministertreffen mit persönlicher Anwesenheit seit November 2019. Blinken wollte die zweitägige Zusammenkunft auch zu einer Reihe bilateraler Treffen nutzen, darunter mit Maas.

Weiteres Thema am Dienstag war die Reform der Militärallianz. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bereitet hier Vorschläge für einen Gipfel der Staats- und Regierungschefs in einigen Monaten vor. Dabei geht es unter anderem um eine politische Stärkung der Allianz. Am Mittwoch steht dann insbesondere die Haltung der Nato gegenüber Russland auf der Tagesordnung.

by Von Martin TRAUTH