Die Festnahme von mehr als 50 Demokratieaktivisten in Hongkong hat internationalen Protest hervorgerufen. Die EU verlangte am Mittwoch die sofortige Freilassung der Oppositionellen und kündigte an, Sanktionen gegen China zu prüfen. Auch der designierte US-Außenminister Anthony Blinken und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilten die Festnahmen. Die 53 Regierungsgegner, unter ihnen frühere Abgeordnete und junge Aktivisten, wurden auf Grundlage des sogenannten Sicherheitsgesetzes festgenommen.
Die Massenfestnahmen sind der größte Polizeieinsatz gegen Mitglieder der Demokratiebewegung seit Verabschiedung des sogenannten Sicherheitsgesetzes im Juni. Rund tausend Beamte waren nach Polizeiangaben an den Razzien beteiligt. Den Beschuldigten werde "Subversion" vorgeworfen.
Hongkongs Sicherheitsminister John Lee sagte, die Oppositionellen hätten versucht, "Hongkong in den Abgrund zu führen". Das chinesische Außenministerium erklärte, mit den Festnahmen seien Versuche von "externen Kräften und Individuen in Hongkong" verhindert worden, die "Stabilität und Sicherheit Chinas zu untergraben".
Unter den Festgenommenen waren nach Angaben der Opposition ehemalige pro-demokratische Abgeordnete wie James To, Andrew Wan, Lam Cheuk Ting und Claudia Mosowie sowie eine Reihe junger Aktivisten, darunter die frühere Journalistin Gwyneth Ho.
Die EU verlangte die "sofortige Freilassung" der Regierungsgegner. Mit den Mitgliedstaaten werde auch über weitere Schritte beraten, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Dienstes der EU in Brüssel. "Es gibt andere Möglichkeiten, die uns offenstehen, zum Beispiel Sanktionen." Dafür sei allerdings eine einstimmige Entscheidung der 27 EU-Staaten nötig.
Der designierte US-Außenminister Anthony Blinken bezeichnete die Massenfestnahme als einen "Angriff auf jene, die tapfer für universelle Rechte eintreten". Im Kurzbotschaftendienst Twitter kündigte er an, dass die Regierung des künftigen US-Präsidenten Joe Biden "an der Seite der Menschen von Hongkong stehen" und sich der "Unterdrückung der Demokratie" durch die chinesische Führung entgegenstellen werde.
Unter den Festgenommenen befindet sich auch der US-Anwalt John Clancey, der für die Kanzlei Ho Tse Wai and Partners in Hongkong arbeitet. Die Kanzlei ist dafür bekannt, dass sie sich mit Menschenrechtsverstößen befasst. Er werde sich weiter für die "Demokratie und die Menschenrechte in Hongkong einsetzen", sagte Clancey zu Reportern, als er von Polizisten abgeführt wurde.
Die jüngsten Festnahmen stehen laut Oppositionsangaben im Zusammenhang mit inoffiziellen Vorwahlen zur Bestimmung von Kandidaten für das Parlament, welche die Demokratiebewegung im Juli abgehalten hatte. Peking hatte die Vorwahlen damals als Versuch der "Revolution" angeprangert. Die pekingtreue Hongkonger Regierung verschob die für September angesetzten Parlamentswahlen dann um ein Jahr. Als Grund nannte sie die Corona-Pandemie.
Das im Juni von Peking verabschiedete Sicherheitsgesetz erlaubt den Behörden ein drakonisches Vorgehen gegen alle Aktivitäten in Hongkong, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit bedrohen, und greift massiv in die Autonomierechte der Sonderverwaltungszone ein. Das Gesetz war als Reaktion auf die pro-demokratischen Massenproteste von 2019 beschlossen worden.
Aufgrund des Gesetzes nahmen die Behörden bereits in den vergangenen Monaten eine Reihe von Oppositionellen fest. Die jüngsten Festnahmen seien "ein erneuter Beleg dafür, wie das neue Gesetz zur Repression missliebiger Stimmen missbraucht wird", erklärte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Der früheren britischen Kronkolonie waren bei ihrer Übergabe an China 1997 für 50 Jahre Sonderrechte gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Westliche Staaten sehen in dem sogenannten Sicherheitsgesetz einen eklatanten Verstoß gegen die damaligen Vereinbarungen.
Der letzte britische Gouverneur Hongkongs, Chris Patten, rief die internationale Gemeinschaft auf, gegen die "brutale Zerstörung einer freien Gesellschaft" durch China zu protestieren. Die EU müsse die Umsetzung ihres Investitionsabkommens mit China stoppen.
Die EU hatte sich erst vor einer Woche nach mehrjährigen Verhandlungen im Grundsatz auf das Abkommen mit China geeinigt. Unter anderem wegen der Situation in Hongkong und weiterer Vorwürfe hinsichtlich der Menschenrechte in China sehen viele EU-Abgeordnete das Abkommen kritisch.
by Von Jerome TAYLOR