Nur knapp drei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl hat der Senat mit den Anhörungen der designierten Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett begonnen. Die oppositionellen Demokraten nutzten Barretts Auftritt vor dem Justizausschuss der Kongresskammer am Montag, um die konservative Juristin als Gefahr für die Gesundheitsreform des früheren Präsidenten Barack Obama darzustellen. Sie bekräftigten zudem ihre Kritik daran, dass Präsident Donald Trump und seine Republikaner die Personalie noch vor der Wahl durchdrücken wollen.
“Ich denke, wir sollten mit der Nominierung nicht voranschreiten, bis die Wahl beendet ist und der nächste Präsident das Amt angetreten hat”, sagte die ranghöchste Demokratin im Justizausschuss, Dianne Feinstein. Der republikanische Ausschussvorsitzende Lindsey Graham sagte dagegen, der Senat erfülle “seine Pflicht”.
Die Republikaner, die in der Kongresskammer eine Mehrheit von 53 der 100 Senatoren haben, wollen Barrett noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November für das Amt am Obersten US-Gerichtshof bestätigen.
Sollte der Senat die 48-jährige Barrett wie erwartet im Amt bestätigen, würde die konservative Mehrheit am Supreme Court auf sechs zu drei Richter ausgeweitet. Weil Verfassungsrichter auf Lebenszeit ernannt werden, würde die konservative Dominanz auch auf Jahre oder sogar Jahrzehnte gefestigt.
Bei der Senatsanhörung warnten die Demokraten am Montag, bei einer Bestätigung Barretts stehe die als Obamacare bekannte Gesundheitsreform Obamas auf dem Spiel – und damit die Krankenversicherung für mehr als 20 Millionen US-Bürger. Die demokratischen Senatoren zeigten Fotos von Menschen, die davon betroffen sein könnten.
Senator Sheldon Whitehouse bezeichnete Barrett als “juristischen Torpedo” gegen Obamacare. Die konservative Juristin habe in der Vergangenheit erklärt, dass die Reform rückgängig gemacht werden müsse. Senator Patrick Leahy warnte, ein Ende von Obamacare wäre eine “Katastrophe” für Millionen Krankenversicherte. Der Supreme Court wird sich nur eine Woche nach der Präsidentschaftswahl, am 10. November, mit Obamacare befassen.
Barrett ist nicht nur wegen ihrer Haltung zur Gesundheitsreform des früheren Präsidenten umstritten. Die strenggläubige Katholikin und Mutter von sieben Kindern ist eine strikte Abtreibungsgegnerin, lehnt die Homo-Ehe ab und setzt sich für das Recht auf Waffenbesitz ein. Frauenrechtsaktivisten fürchten, der Oberste Gerichtshof könne künftig das Recht auf Abtreibungen rückgängig machen.
Kritiker haben der Katholikin in der Vergangenheit zudem wegen ihrer religiösen Haltung Dogmatismus vorgeworfen. Die Demokraten vermieden diesen Vorwurf nun aber – um sich nicht dem Vorwurf der Intoleranz gegenüber Religionen auszusetzen. Präsidentschaftskandidat Joe Biden, selbst ein Katholik, betonte: “Ich denke nicht, dass es Fragen zu ihrem Glauben geben sollte.”
Mit Barrett kann Trump nun bereits den dritten Posten am Supreme Court seit seinem Amtsantritt füllen. Der Republikaner hatte die Bundesrichterin Ende September als Nachfolgerin für die verstorbene liberale Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg nominiert. Es war ein klares Signal an wichtige Wählergruppen des Präsidenten, insbesondere die religiöse Rechte.
Trump hatte sich 2016 die Wählerstimmen vieler zögerlicher Konservativer mit dem Versprechen gesichert, freiwerdende Posten am Supreme Court und an Bundesgerichten mit konservativen Richter zu besetzen.
by Von Charlotte PLANTIVE