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US-Senat beginnt Aufarbeitung von Sicherheitsmängeln bei Kapitol-Erstürmung

Ex-Polizeichef: Angreifer "waren vorbereitet auf einen Krieg"

Mit drastischen Schilderungen hat vor dem US-Senat die Aufarbeitung des Versagens der Sicherheitskräfte bei der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar begonnen. Bei einer Anhörung vor zwei Senatsausschüssen beklagte der damalige Chef der Kapitol-Polizei, Steven Sund, am Dienstag eine falsche Gefahreneinschätzung durch die Nachrichtendienste: Seine Beamten seien nicht vorbereitet gewesen auf einen Ansturm tausender "Krimineller", die zum "Krieg" bereit gewesen seien.

"Keine Behörde einschließlich des FBI hat nachrichtendienstliche Informationen vorgelegt, wonach es einen koordinierten gewaltsamen Angriff auf das US-Kapitol durch tausende gut ausgerüstete, bewaffnete Aufständische geben würde", sagte Sund. Gegenüber den radikalen Anhängern des damaligen Präsidenten Donald Trump seien seine Beamten "zahlenmäßig deutlich unterlegen" gewesen.

"Sie hatten Waffen, chemische Munition, Sprengkörper, Schilde, Schutzwesten", führte der nach dem Angriff auf das Parlamentsgebäude zurückgetretene Sund aus. "Diese Kriminellen waren vorbereitet auf einen Krieg."

Der am 6. Januar für die Sicherheit des Repräsentantenhauses verantwortliche Paul Irving sagte, zwar hätten die Nachrichtendienste auf ein "Risiko von Gewalt" hingewiesen, die sich auch gegen den Kongress richten könnte; die Möglichkeit eines "koordinierten Angriffs" sei aber nie erwähnt worden.

"Auf Grundlage der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse, über die wir verfügten, dachte ich fälschlicherweise, dass wir vorbereitet seien", sagte Irving. "Jetzt wissen wir, dass wir einen falschen Plan hatten."

Die Sicherheitsvertreter beklagten am Dienstag auch ein zu langsames Eingreifen der Nationalgarde, die erst nach Stunden eingetroffen war. Washingtons Polizeichef Robert Contee sagte, er sei "fassungslos" gewesen angesichts des "Widerstrebens" des Verteidigungsministeriums, Nationalgardisten zu schicken. Seine Polizisten hätten "um ihr Leben gekämpft".

Sund sagte aus, als er die Nationalgarde angefordert habe, habe ihm ein ranghoher Militärvertreter gesagt: "Mir gefällt nicht das Bild von vor dem Kapitol aufgereihten Nationalgardisten."

Gewalttätige Trump-Anhänger hatten am 6. Januar nach einer Rede des noch amtierenden Präsidenten in Washington das Kapitol gestürmt, wo der Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl vom 3. November endgültig bestätigt werden sollte. Trump, der seine Wahlniederlage bis heute nicht anerkennt, hatte seine Anhänger zuvor zum Marsch auf das Kapitol aufgerufen und sie aufgefordert, auf "Teufel komm raus zu kämpfen".

Bei dem Angriff wurden ein Polizist getötet und eine Angreiferin von der Polizei erschossen. Insgesamt gab es fünf Tote.

Eine Woche nach der Kapitol-Erstürmung wurde ein Amtsenthebungsverfahren gegen den scheidenden Präsidenten Trump wegen "Anstiftung zum Aufruhr" eingeleitet. Die für eine Verurteilung notwendige Zweidrittelmehrheit im Senat wurde aber vor rund zehn Tagen verfehlt. Biden löste Trump am 20. Januar im Amt ab.

by Von Paul HANDLEY