Historischer Tag in Washington: Das US-Repräsentantenhaus ist am Mittwoch auf ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump zugesteuert. Ein Impeachment wegen der Erstürmung des Kapitols durch militante Trump-Anhänger galt angesichts der Mehrheit der Demokraten in der Kongresskammer als sicher. Trump rief derweil angesichts der Sorge vor neuen Ausschreitungen zur Ruhe auf: Es dürfe "keine Gewalt, keine Gesetzesbrüche, keinen Vandalismus" geben.
Die Demokraten machten den abgewählten Präsidenten bei der Impeachment-Debatte im Repräsentantenhaus für die gewaltsame Kapitol-Erstürmung mitverantwortlich. Sie werfen ihm eine "Anstiftung zur Aufruhr" vor.
"Der Präsident der Vereinigten Staaten hat zu dieser Aufruhr, zu dieser bewaffnete Rebellion gegen unser Land angestiftet", sagte demokratische Vorsitzende der Kongresskammer, Nancy Pelosi. "Er muss gehen. Er ist eine eindeutige und gegenwärtige Gefahr für die Nation, die wir alle lieben."
Der demokratische Abgeordnete Jim McGovern sagte: "Jede Sekunde, die dieser Präsident im Amt bleibt, ist eine Gefahr für dieses Land und die Welt. Wir haben keine Ahnung, wozu er in der Lage ist, ob er diese Terroristen (die Kapitol-Angreifer) begnadigen wird, ob er in einen Krieg ziehen wird."
Die Republikaner warfen den Demokraten vor, sie würden das Land mit einem Impeachment noch weiter "spalten", anstatt es zu "heilen". Der republikanische Minderheitsführer Kevin McCarthy räumte zwar ein, Trump trage "Verantwortung" für die Erstürmung. Ein Impeachment nur eine Woche vor dem regulären Ende von Trumps Amtszeit am kommenden Mittwoch wäre aber ein "Fehler". Der Kongress solle stattdessen lediglich eine formelle Missbilligung gegen den Präsidenten aussprechen.
Allerdings galt eine Mehrheit für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens als sicher. Neben den Demokraten wollten auch einige republikanische Abgeordnete für das Impeachment stimmen. Trump wäre der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den gleich zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden, nach jenem zur Ukraine-Affäre vor rund einem Jahr.
Der Prozess selbst wird dann aber im Senat geführt. Für eine Verurteilung wäre eine nur sehr schwierig zu erreichende Zweidrittelmehrheit nötig.
Es gilt ohnehin als höchst unwahrscheinlich, dass das Verfahren im Oberhaus vor dem Ende von Trumps Amtszeit am Mittwoch kommender Woche beginnen, geschweige denn abgeschlossen werden kann. Der Senat hat bis zum kommenden Dienstag Sitzungspause, der scheidende konservative Mehrheitsführer Mitch McConnell will das Oberhaus Medienberichten zufolge nicht vorher zu einer Sondersitzung einberufen.
Die Demokraten streben aber eine Verurteilung Trumps auch nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus an - auch, weil er dann in einem nächsten Schritt künftig von öffentlichen Ämtern und damit einer neuen Präsidentschaftskandidatur 2024 ausgeschlossen werden könnte.
Die Erstürmung des Kapitols am Mittwoch vergangener Woche hatte weit über die Grenzen der USA hinaus Entsetzen und Empörung ausgelöst. Bei der gewaltsamen Attacke wurde unter anderem ein Polizist getötet, eine Angreiferin wurde im Parlamentsgebäude erschossen. Insgesamt gab es fünf Tote.
Trump hatte seine Anhänger zuvor in einer aufwieglerischen Rede zum Marsch auf das Kapitol aufgerufen, um eine endgültige Bestätigung des Wahlsieges seines Herausforderers Joe Biden durch das Parlament zu verhindern.
Befürchtet wird neue Gewalt vor und während Bidens Amtseinführung am kommenden Mittwoch. Medienberichten zufolge warnt die Bundespolizei FBI vor Plänen für "bewaffnete Proteste" in Washington und allen 50 Bundesstaaten. Allein in Washington werden deswegen 20.000 Nationalgardisten im Einsatz sein, wie der Polizeichef der Hauptstadt, Robert Contee, am Mittwoch sagte.
Trump rief derweil in einer Erklärung zur Ruhe auf. "Angesichts von Berichten über mehr Demonstrationen rufe ich dazu auf, dass es keine Gewalt, keine Gesetzesbrüche, keinen Vandalismus in irgendeiner Form geben darf. Das ist nicht, wofür ich stehe, und das ist nicht, wofür die USA stehen." Jetzt müssten "alle Amerikaner" dazu beitragen, die Spannungen zu mildern.
Der Rechtspopulist hatte die Spannungen in den Wochen nach seiner Wahlniederlage gegen Biden mit unbegründeten Vorwürfen des Wahlbetrugs selbst massiv angeheizt. Bis heute hat er nicht eingeräumt, dass Biden die Wahl vom 3. November rechtmäßig gewonnen hat.
by Von Fabian Erik SCHLÜTER