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US-Armee greift nach Selbstmordanschlag in Kabul IS-Ableger mit Drohnen an

Washington will trotz Gefahr "bis zum letzten Moment" Menschen ausfliegen

Als Reaktion auf den verheerenden Selbstmordanschlag am Flughafen von Kabul haben die USA den regionalen Ableger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) angegriffen. Der Drohnenangriff sei in der afghanischen Provinz Nangarhar erfolgt, erklärte die US-Armee. Wegen anhaltender Anschlagsgefahr rief die US-Botschaft ihre Landsleute in Kabul auf, sich vom Flughafen fernzuhalten. Dort starteten auch am Samstag weiter Evakuierungsflüge für bedrohte Afghanen, die Zugangsstraßen wurden von den Taliban kontrolliert.

Der von einem anderen Land aus gesteuerte Drohnenangriff habe einem "Planer" des afghanisch-pakistanischen IS-Ablegers Islamischer Staat Provinz Chorasan (IS-K) gegolten, erklärte Bill Urban vom US-Zentralkommando (Centcom). "Ersten Hinweisen zufolge wurde das Ziel getötet."

IS-K hatte sich zu dem Selbstmordanschlag bekannt, bei dem am Donnerstag zahlreiche Zivilisten sowie 13 US-Soldaten getötet worden waren. Ranghohe Vertreter der ehemaligen afghanischen Regierung sagten der Nachrichtenagentur AFP, bei dem Anschlag seien mehr als hundert Menschen getötet worden. Einige Medien berichteten sogar von rund 170 Toten.

US-Präsident Joe Biden hatte nach der Selbstmordattacke Vergeltung angekündigt. Der Anschlag war der verlustreichste Angriff auf die US-Armee am Hindukusch seit zehn Jahren. IS-K wird auch für einige der tödlichsten Anschläge der vergangenen Jahre in Afghanistan und Pakistan verantwortlich gemacht. Kämpfer der Splittergruppe ermordeten unter anderem Zivilisten in Moschee, Schreinen, auf öffentlichen Plätzen und sogar in Krankenhäusern.

Das Weiße Haus erklärte, Bidens Sicherheitsberater stuften einen weiteren Anschlag als "wahrscheinlich" ein. Die kommenden Tage seien der "bisher gefährlichste Zeitraum" des derzeitigen US-Einsatzes in Afghanistan, sagte Bidens Sprecherin Jen Psaki.

Trotz allem sollen "bis zum letzten Moment" Evakuierungsflüge stattfinden, wie US-General Hank Taylor sagte. Auf dem Gelände des Flughafens warten nach US-Angaben noch mehr als 5000 Menschen auf eine Chance zur Ausreise.

Die zum Flughafen führenden Straßen wurden inzwischen von den Taliban abgeriegelt, Kämpfer der Islamisten lassen nur autorisierte Fahrzeuge passieren. "Wir haben Listen von den Amerikanern", sagte ein Taliban-Vertreter zu AFP. "Wenn Ihr Name auf der Liste steht, kommen Sie durch."

Die USA wollen bis Dienstag alle Soldaten aus Afghanistan abziehen. Ironie der Geschichte nach 20 Jahren Militäreinsatz: Um den Ablauf der Evakuierungen sicherzustellen und zum Schutz vor dem IS müssen die US-Soldaten enger mit den Taliban zusammenarbeiten. Der Leiter der US-Truppen auf dem Flughafen, Peter Vasely, steht in ständigem Kontakt zu dem Taliban-Vertreter, der für die Sicherheit außerhalb verantwortlich ist.

Nach Angaben von Taliban-Sprecher Bilal Karimi übernahmen die Taliban bereits die Kontrolle über Teile des Flughafens von Kabul. Das Pentagon betonte jedoch, dass die US-Armee weiter die Kontrolle über die Zugänge zum Flughafengengelände sowie den Betrieb der Evakuierungsflüge habe.

Die Bundeswehr hatte am Donnerstag ihre Rettungsflüge aus Kabul beendet, ebenso die Niederlande und Australien. Am Freitag folgten unter anderem Fankreich, Spanien, Schweden, Norwegen und die Schweiz.

Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr kehrten am Freitagabend nach Deutschland zurück. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dankten den Rückkehrern. "Sie haben Unfassbares gesehen und erlebt" und "Unglaubliches geleistet", sagte Kramp-Karrenbauer auf dem Fliegerhorst im niedersächsischen Wunstorf.

Seit dem 14. August, dem Tag vor der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Kabul, wurden nach Angaben der US-Regierung etwa 109.000 Menschen über die Luftbrücke aus Afghanistan ausgeflogen. Zahlreiche im Land verbliebene Afghanen und Afghaninnen fürchten eine neue Schreckensherrschaft der Taliban wie in den Jahren 1996 bis 2001. Die Vereinten Nationen rechnen mit bis zu einer halben Million weiteren afghanischen Flüchtlingen bis Jahresende.

Über den Kampf gegen islamische Extremisten berieten am Samstag im Irak führende Vertreter der Region unter anderem mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser rief die internationale Gemeinschaft auf, im Kampf gegen den IS "nicht unachtsam" zu werden.

by Von David FOX