Frankreichs Justizminister Eric Dupond-Moretti soll am Mittwochnachmittag erfahren, ob das Sondergericht für Regierungsmitglieder ihn wegen Amtsmissbrauchs schuldig erklärt oder freispricht. Es ist das erste Mal, dass sich in Frankreich ein amtierender Justizminister für mutmaßliche Vergehen während seiner Amtszeit vor Gericht verantworten musste. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr Haft auf Bewährung gefordert. Der Minister weist die Vorwürfe zurück.
Der 62-Jährige soll sein Ministeramt genutzt haben, um gegen Justizbeamte vorzugehen, mit denen er zuvor in seiner Zeit als Anwalt aneinandergeraten war. Im Fall einer Verurteilung stellt sich die Frage, ob Dupond-Moretti Rechtsmittel einlegt, und ob er weiter Regierungsmitglied bleibt, so lange das Urteil nicht rechtskräftig ist.
Premierministerin Elisabeth Borne hatte kürzlich daran erinnert, dass es eine "klare Regel" gebe, die auch schon angewandt worden sei. Damit spielte sie auf den Fall des 2021 verurteilten beigeordneten Minister Alain Griset an. Ein Gericht hatte ihn wegen der Verschleierung seiner Vermögensverhältnisse zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Griset hatte Berufung eingelegt, war aber noch am Tag des Urteils zurückgetreten.
Regierungssprecher Olivier Véran hingegen ließ durchblicken, dass ein noch nicht rechtskräftiges Urteil kein Grund sein müsse, die Regierung zu verlassen. Auch für Minister gelte die Unschuldsvermutung, betonte er. "Es liegt ja nicht daran (an den Gerichtsverfahren), dass die Franzosen kein Vertrauen mehr in die Politik haben", erklärte er.
Präsident Emmanuel Macron war mit dem Versprechen einer "beispielhaften Republik" angetreten. Zunächst galt, dass Minister bereits im Fall von Ermittlungen zurücktreten sollten. Dazu zählte etwa Dupond-Morettis Amtsvorgänger François Bayroux, der wegen einer Scheinbeschäftigungsaffäre nach wenigen Wochen das Amt aufgab. Bei späteren Ermittlungsverfahren gegen Regierungsmitglieder gab es zunehmend Ausnahmen von dieser Regel.
Der 62-jährige Dupond-Moretti, der sich vor seiner überraschenden Ernennung als rabiater Star-Anwalt einen Namen gemacht hatte, hatte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft interne Untersuchungen gegen vier Justizbeamte eingeleitet, um alte Rechnungen zu begleichen.
In drei Fällen handelte es sich um Ermittler der Finanzstaatsanwaltschaft, die während seiner Zeit als Anwalt Einblick in seine Telefonrechnungen verlangt hatten. Zudem ging er auf dem Dienstweg gegen einen ehemaligen Untersuchungsrichter vor, der gegen mehrere seiner früheren Mandanten im Zuge einer Korruptionsaffäre ermittelt hatte. Letztlich wurde keiner der Betroffenen sanktioniert.
Der Interessenkonflikt Dupond-Morettis sei "offensichtlich", hatte Staatsanwalt Rémy Heitz in seinem Plädoyer gesagt. Der Minister habe Warnungen ignoriert und sei "Schritte gegangen, die er nie hätte gehen dürfen".
Dupond-Moretti hatte während des Verfahrens beteuert, dass er mit Amtsantritt als Minister seine alten Streitigkeiten mit den Justizbeamten vergessen habe. Er habe sich lediglich nach den Empfehlungen seiner Mitarbeiter gerichtet, betonten seine Anwälte. "Er hat sich nicht gerächt", betonte sein Anwalt Rémi Lorrain.
kol/ju