Die Unterzeichnung einer Ehrenerklärung durch alle Abgeordneten der Unionsfraktion soll nicht das Ende der Aufarbeitung in der Maskenaffäre sein. Kommende Woche werde die Fraktionsführung den Entwurf für einen Verhaltenskodex vorlegen, kündigte Fraktionsvize Gitta Connemann (CDU) am Samstag an. Mit dem insgesamt zehn Punkte umfassenden Plan sollen die Transparenzvorschriften im Abgeordnetengesetz deutlich verschärft werden. Mehrere CDU-Politiker bekräftigten, sie sähen in der Maskenaffäre kein strukturelles Problem.
Connemann sagte im Sender RBB, die Unionsfraktion wolle mit dem Entwurf für den Zehn-Punkte-Plan auf die SPD zugehen. "Das ist ein ganz großer Katalog mit auch zum Teil sehr schwerwiegenden Maßnahmen. Aber dafür brauchen wir dann auch die Zustimmung unseres Koalitionspartners."
In dem AFP vorliegenden Entwurf der "Zehn-Punkte-Transparenzoffensive" heißt es, die "entgeltliche Tätigkeit als Interessenvertreter für einen Dritten gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag" solle gesetzlich verboten und Verstöße mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Aus solchen Tätigkeiten erworbene Einnahmen sollen Abgeordnete künftig "an den Bundestag abführen" müssen.
Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen ab 25 Prozent sollen Abgeordnete künftig anzeigen, ebenso Nebeneinkünfte ab 100.000 Euro. Der Missbrauch des Mandats zu geschäftlichen Zwecken soll gesetzlich verboten sein und mit einem Ordnungsgeld bestraft werden. Eine Geldstrafe soll es künftig auch bei einer verbotenen Nebentätigkeit geben. Abgeordnetenbestechung will die Unionsfraktionsführung zu einem Verbrechen hochstufen - bislang ist dies ein Vergehen.
Connemann sagte dem RBB, in dem Plan werde festgelegt, "dass bestimmte Handlungen, die legal, aber aus unserer Sicht nicht legitim sind, zukünftig von unseren Kolleginnen und Kollegen nicht mehr ausgeübt werden". Bezahlte Vorträge, Honorare für Reden - das sei heute alles möglich. "Aus unserer Sicht sollte ein Abgeordneter aber nicht doppelt bezahlt werden, sondern er sollte seine Einkünfte ausschließlich vom Steuerzahler erhalten."
Bis Freitagabend hatten alle Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine von der Fraktionsführung geforderte Ehrenerklärung unterzeichnet. Jeder einzelne Abgeordnete musste schriftlich erklären, keine finanziellen Vorteile aus pandemiebezogenen Geschäften erhalten zu haben.
Die Fraktionsführung reagierte damit auf die Maskenaffäre und weitere Fälle von umstrittenem Lobbyismus in ihrer Fraktion. Diese hatten dazu geführt, das in den vergangenen Tagen drei Abgeordnete die Fraktion verließen. Die bisherigen Unionsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolaus Löbel (CDU) sollen sechsstellige Beträge für die Vermittlung von Schutzmaskenlieferungen kassiert haben.
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung, der Schaden für die Union durch die Maskenaffäre sei "immens". Es sei "absolut inakzeptabel und unmoralisch", wenn "manche unserer Parlamentarier" den Kampf gegen die Corona-Pandemie zu ihrer persönlichen Bereicherung nutzten. Aus seiner Sicht handle es sich aber um Einzelfälle und nicht um ein strukturelles Problem seiner Partei, sagte er der "NOZ". Die Maskenaffäre sei "nicht vergleichbar mit der Spendenaffäre vor vielen Jahren, die damals strukturelle Probleme in der Union aufgezeigt hat".
Auch Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte, er glaube nicht an weitere Korruptionsverdachtsfälle in der Fraktion. "Mir fehlt das Vorstellungsvermögen, dass es weitere solcher Fälle gibt", sagte er in der Sendung "Bild Live". Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) widersprach in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ebenfalls dem Vorwurf, die Union habe ein strukturelles Problem. "Das kann ich derzeit nicht sehen. Die CDU und die CSU haben schnell, richtig und konsequent gehandelt."
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans dagegen warf der Union einen Hang zur Vetternwirtschaft vor: "In Teilen von CDU und CSU ist das Prinzip, dass eine Hand die andere wäscht, immer wieder zum Vorschein gekommen. Das Waschmittel dabei ist Geld - und dem stehen in diesen Parteien einige besonders nah", sagte Walter-Borjans der "FAS". Dazu passe, dass CDU und CSU regelmäßig jeden Vorstoß für mehr Transparenz und schärfere Sanktionen gegen Missetäter blockierten.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte der "Passauer Neuen Presse", er rechne damit, dass sich die Masken-Affäre auf die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz am Sonntag auswirken werde. "Diese Vorgänge in der CDU/CSU-Fraktion schaden nicht nur der Union, sondern dem Ansehen der Demokratie und des Parlamentarismus insgesamt." CDU und CSU hätten mit ihrem Koalitionspartner die Mehrheit im Bundestag: "Es hat sie niemand abgehalten, schon früher Initiativen zu ergreifen."
by Ina FASSBENDER