Ungarns Regierungschef Viktor Orban hält trotz der verhärteten Fronten eine Einigung im EU-Haushaltsstreit für möglich. "Viele verschiedene Lösungen sind möglich, es ist nur eine Frage des politischen Willens", sagte Orban in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Für Ungarn und Polen seien Einigungen akzeptabel, "die auf Grundlage rechtlicher Standpunkte und nicht durch politische Mehrheiten" erzielt würden. "Die Gespräche müssen weitergehen und am Ende werden wir eine Einigung erreichen, so läuft es normalerweise."
Ungarn und Polen hatten am Montag ihre Zustimmung zu einem 1,8 Billionen Euro schweren Finanzpaket bestehend aus dem EU-Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre und dem Corona-Hilfsfonds verweigert. Grund sind Pläne, EU-Gelder bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Grundsätze künftig zu kürzen.
Eine schnelle Beilegung des Streits ist nicht in Sicht. Die EU-Staats- und Regierungschefs befassten sich bei einer Video-Konferenz am Donnerstagabend nur kurz mit dem Thema. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem "sehr ernsthaften Problem". Sie sah die Lösungssuche mit Budapest und Warschau "noch ganz am Anfang".
Die meisten EU-Länder seien offen für die Aufnahme und Umverteilung von Flüchtlingen, sagte Orban. Er wolle verhindern, dass sein Land per Mehrheitsbeschluss gezwungen werde, Migranten aufzunehmen. "Im Mittelpunkt des ganzen Blablas in Brüssel steht die Frage, wie sie uns dazu zwingen können, etwas zu tun, dass wir nicht tun wollen", erklärte der ungarische Regierungschef.
Ein in Brüssel diskutierter Lösungsansatz sind politische Zusicherungen der anderen Mitgliedstaaten an Warschau und Budapest. Änderungen an dem Rechtsstaatsmechanismus selbst gelten als schwierig. Das Europäische Parlament machte bereits am Mittwoch klar, dass es "keine weiteren Zugeständnisse" bei den über Wochen ausgehandelten Regelungen machen werde.
by ATTILA KISBENEDEK